Von den Dingen des Lebens

Ulrich Greiner sortiert seine persönlichen Erinnerungen

Von Vanessa RennerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Vanessa Renner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es beginnt mit dem Kapitel „Agfa Clack“ und endet mit „Zimmer“. Dazwischen steckt eine Fülle von Lebenserinnerungen, Begegnungen und Ereignissen. Getrieben von dem Wunsch, gegen das Verblassen seiner Vergangenheit anzuschreiben, hat „Zeit“-Autor Ulrich Greiner mit „Das Leben und die Dinge“ einen alphabetischen Roman über sein Leben verfasst. Sein „Ordnungsprinzip“ ist dabei ebenso einfallsreich wie naheliegend: Es beruht auf Alltagsgegenständen, die den einzelnen Kapiteln ihren Titel geben. Greiner erzählt Geschichten aus seinem Leben, die unmittelbar mit diesen Dingen verknüpft sind. Das erinnert an einen Karteikasten, aus dem der Leser diese oder jene Karte hervorzieht, liest und wieder zurücklegt. Bereichert um kleine Begebenheiten, genau beobachtet, teils wehmütig, auch nachdenklich, dann wieder in lakonischem Ton und humorvoll, immer offenherzig.

„Das Leben und die Dinge“ ist vor allem eines: ein sehr persönlicher und ehrlicher Roman. Dabei nimmt Greiners Beruf als Journalist für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“  und danach viele Jahre für die „Zeit“ naturgemäß viel Raum ein. Spannend zu lesen sind Begegnungen mit Autoren wie Peter Handke, Siegfried Lenz oder Wolfgang Koeppen, aber auch Einblicke in die Redaktionen der beiden Zeitungen. Ganz wunderbar die Passage über Frank Schirrmachers Händedruck, dessen Beschaffenheit wohl jedem Leser anschaulich in Erinnerung bleiben wird. Dagegen erscheinen die Schilderungen vom journalistischen Publizieren in der „Bleizeit“ vor der Einführung der entsprechenden elektronischen Medien wie Erzählungen aus ferner Vergangenheit. Streitbar bezieht Greiner Position zu neuen Entwicklungen im Journalismus ebenso wie zum jüngst geäußerten Vorwurf der „Lügenpresse“.

Neben diesen beruflichen stehen die ganz persönlichen Erinnerungen aus Kindheit und Jugend, die Zeit mit Familie und Freunden. Hier entwirft der Autor zum Teil poetische Bilder, die dem Leser Gefühle und Sinneseindrücke wie Geräusche und Gerüche sehr gut nahe zu bringen vermögen. Und dabei womöglich Erinnerungen an die eigene Vergangenheit wecken. Überhaupt ist dies eine feine Eigenschaft des Romans: Er vermag in Dialog zu treten mit dem Leser, der unwillkürlich anfängt, über die Dinge seines eigenen Lebens nachzudenken.

So melancholisch die Erkenntnis, dass die Dinge, an denen wir hängen, uns letztlich nichts nützten, weil sich glückliche Momente, Gefühle und Emotionen mit keinem Fotoapparat, Tonbandgerät oder in Aufzeichnungen zwischen zwei Buchdeckeln festhalten und konservieren lassen, auch sein mag: Diese Erinnerungen mit anderen zu teilen, hält sie jedoch auf wunderbare Art und Weise lebendig.

Titelbild

Ulrich Greiner: Das Leben und die Dinge. Alphabetischer Roman.
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2015.
214 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783990270769

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch