Der Klassiker

Ein erster von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Von Markus EngelnsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Markus Engelns

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Superhelden sind in Mode. Doch wer abseits der populären Filme auch die Comics lesen möchte, muss sich erst einmal in komplex gewachsene Universen einlesen. Drei Zugänge zu diesem Genre bieten die hier rezensierten Beiträge zum Batman-Universum.

In den 1980er Jahren präsentierten die so genannten ‚Year One‘-Stories modernisierte Varianten der Entstehungsgeschichten zahlreicher Superhelden. Zu den einflussreichsten gehört Batman: Das erste Jahr von Autor Frank Miller und Zeichner David Mazzucchelli. Der Comic erzählt Batmans erstes Jahr als Superheld und zugleich auch die ersten Schritte seines später wichtigsten Verbündeten, James Gordon, dem baldigen Polizeichef des Handlungsortes Gotham City.

Millers Protagonisten sind zerrissene Außenseiter, die in ein sorgsam gepflegtes und undurchdringliches soziales Netz geraten. Die größte Stärke des Comic ist dabei die Doppelperspektive: Neben Bruce Wayne, der als Superheld die Gesetze einfach übertreten darf, steht James Gordon, der sich im steten inneren Kampf angesichts behördlicher Korruption und seines durch das Gesetz eingeschränkten Handlungsspielraums befindet. Beide treten in ein postindustrielles Ödland ein, in dem ausschließlich das Recht des Stärkeren zu regieren scheint. Die Raffinesse der Handlung liegt nun darin, die Spannung dieser beiden Perspektiven sorgsam auszutarieren, indem sie als außenstehende Beobachter auf je verschiedenen Wegen versuchen, ihre Stadt zu ‚verstehen‘. Batmans Part beschränkt sich zumeist auf einige innere Monologe, die das eigene Trauma und den Weg zum Superhelden thematisieren. Sie lassen deutlich werden, dass dieser ‚Held‘ wenig heldenmütig ist. Vielmehr setzt er an die Stelle einer Aufarbeitung seiner Probleme schlichtes Vigilantentum. Er ist kein Bewahrer, sondern ein Zerstörer, ein Anti-Prometheus gar, der symbolisch ein rituell entzündetes Feuer auf dem Bankett eines Mafioso – dem Römer – vor den Augen der ebenfalls eingeladenen Staatsgewalt löscht, die Würdenträger und deren ‚Kultur‘ in Dunkelheit hüllt.

Dem gegenüber steht Gordon, der wegen einer Aussage gegen einen Kollegen nach Gotham zwangsversetzt wird und sich unterordnen muss. Anders als Batman, will er also gar nicht in diese Stadt eintauchen – er muss es aber tun, um seine Familie zu ernähren. Gordon ist dabei durch und durch menschlich gezeichnet. So sitzt er mit der Last seiner Dienstwaffe in der Hand im Bett neben seiner hochschwangeren Frau, die er kurz zuvor mit seiner Kollegin betrogen hat. Er fragt sich, ob nun der von der Polizei gejagte Batman der Bösewicht ist oder seine mehr als zweifelhaften Kollegen.

Was beide Protagonisten eint, ist der Gegensatz selbst; so treffen sie fast ausschließlich als Jäger und Gejagter aufeinander oder wenn sie in Autos mit gegensätzlicher Fahrtrichtung fast ineinander rasen. Sie kreisen umeinander, bekämpfen sich, retten sich und finden schließlich als Verbündete zueinander.

Grafisch ist der Comic ein kleines Meisterwerk. Mazzucchelli, der nur sehr wenige Superheldencomics gezeichnet hat und für die geniale Comicadaption Stadt aus Glas von Paul Auster verantwortlich ist, zeigt mit der für ihn typischen und fast schon französisch wirkenden hohen Ikonisierung samt dickem Tuschestrich in Gesten und Mimik jede Emotion der Protagonisten. Dabei ist er manchmal nah dran an den Gesichtern, die dann zu einprägsamen und gleichsam zerfurchten Portraits werden; manchmal entfernt er sich aber auch vom Geschehen, wobei dann die Bewegungen innerhalb einzelner Panels in den Vordergrund treten. Mazzucchelli geht es eben nicht darum, den so typischen Bewegungsdrang der Superhelden von Bild zu Bild zu zeigen. Ihm geht es um die Montage einzelner Momentaufnahmen, die derart aufeinander verweisen, dass daraus eine atmosphärisch dichte Szene entsteht, die nicht selten mit Bildzitaten etwa aus der PopArt aufwartet und verschiedene Blinkwinkel beleuchtet.

Einzig zu kritisieren wäre, dass der Comic doch sehr kulturpessimistisch daherkommt und die ursprünglich sehr flächige und mit Akzentfarben arbeitende Coloration der Erstveröffentlichung inzwischen durch eine teilweise sinnentstellende Neubearbeitung ersetzt wurde, die zwar insgesamt zeitgemäßer ist, zugleich aber einige der allein grafisch codierten Subtexte auslöscht. Abseits dessen ist Das erste Jahr aber sowohl erzählerisch als auch gestalterisch der wohl beste und auch klassischste Einstieg in das Batman-Universum.

Weitere Beiträge zu Batman:

Der Krimi. Ein zweiter von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Der Horrorcomic. Ein letzter von drei verschiedenen Zugängen zu „Batman“

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Frank Miller / David Mazzucchelli: Batman. Das erste Jahr.
Panini Verlag, Nettetal 2006.
100 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-10: 3866071493
ISBN-13: 9783866071490

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