Vorbemerkungen zur April-Ausgabe 2016

Vor 5 Jahren, am 11. März 2011, kam es in Fukushima zum Super-GAU. Ausgelöst von einem Erdbeben und nachfolgenden Tsunamiwellen kollabierte die Stromversorgung, was verheerende  Folgen hatte: Durch den Ausfall des Kühlsystems erhitzten sich die Reaktoren in drei Kraftwerksblöcken so stark, dass es zur Kernschmelze kam. Die dabei freigesetzte Menge an radioaktivem Material übertraf diejenige von Tschernobyl um das doppelte. Etwa 170.000 Menschen mussten evakuiert werden; viele leiden noch immer, vor allem psychisch, unter den Auswirkungen. Welchen Effekt nukleare Katastrophen auf die Literatur und andere Medien hatten respektive haben, wird in unserem ersten Themenschwerpunkt „Nukleare Narrationen“ in den Blick genommen. Dabei geht es nicht nur um die atomare Katastrophe in Fukushima, sondern auch um das Reaktorunglück in Tschernobyl (1986) und die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki (1945), in deren Folge sich in Japan ein eigenes Genre herausbildete: die so genannte „Atombombenliteratur“ (genbaku bungaku). Im deutschsprachigen Raum fand und findet ebenfalls eine vielgestaltige Auseinandersetzung mit dem Thema in Literatur, Theater und Film statt. Vorbereitet und erarbeitet wurde der Schwerpunkt zusammen mit Lisette Gebhardt, Professorin für Japanologie an der Goethe-Universität Frankfurt, der an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Während sich die in den betroffenen Gebieten lebenden Menschen vom einen auf den anderen Moment einer neuen, unerwarteten Situation gegenübersahen, geht es im zweiten Themenschwerpunkt um ‚Neuheiten‘ ganz anderer Art: um literarische Debüts. Dass Debüts vielfach eine besonders hohe mediale Aufmerksamkeit findet, sieht man unter anderem an Nis-Momme Stockmann. Nachdem er mit seinem dramatischen Debüt Der Mann der die Welt aß (2009 in Heidelberg uraufgeführt) großen Erfolg hatte, schaffte es sein Romandebüt Der Fuchs in diesem Literaturfrühling unter die ersten fünf der für den Preis der Leipziger Buchmesse Nominierten. Auch Kristine Bilkaus letztjähriges Debüt Die Glücklichen oder Dörte Hansens Altes Land, das seit Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste steht, hatten enorme Resonanz im Literaturbetrieb. Die mediale Beachtung ist allerdings kein Garant für die ästhetische Qualität des Werkes; viel zu oft entpuppt sich ein eben noch gehyptes Werk eines Debütautors als Eintagsfliege.

Mit dem dritten Schwerpunkt „Migration und Fluchtbewegungen“ knüpft literaturkritik.de an den noch immer hochaktuellen Themenkomplex der letzten Ausgabe an, der von der Komparatistik-Redaktion in Mainz initiiert wurde. Neben der Betrachtung vor allem des Mittelmeerraumes wird die Perspektive ebenfalls auf außereuropäische Flucht- beziehungsweise Migrationsbewegungen geweitet.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Stefan Jäger