Nationalliteraturen in einem Band

Die Reihe „Kindler Klassiker“ präsentiert eine umfangreiche Auswahl aus dem großen Pendant

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Kindler Literaturlexikon  (KLL)  ist das umfangreichste und wirkungsmächtigste Literaturlexikon im deutschsprachigen Raum. 1964 wurde die Redaktion eingerichtet und bereits 1965 und 1966 erschienen die beiden ersten Bände des „Kindler“, wie das Lexikon kurz genannt wird. In gut anderthalb Jahrzehnten entstand die „Lexikonlegende“ unter Mitarbeit vieler Autorinnen und Autoren. In den Jahren von 1988 bis 1992 folgte dann eine Neuauflage in 20 Bänden als „Kindlers Neues Literatur Lexikon“ (zwei Supplementbände wurden 1998 veröffentlicht); nomineller Herausgeber war Walter Jens. Neben den literarischen Werken wurden in dieser Neuauflage auch Schriftwerke aus allen Zweigen der Geistes- und Naturwissenschaften aufgenommen.

2009 erschien dann im Metzler Verlag eine dritte, völlig neue bearbeitete Auflage, an der neben der Redaktion ein ganzes Team von renommierten Literaturwissenschaftlern als Fachberater mitgearbeitet hatte. Dieser 18-bändige Kindler bezog vor allem auch die politischen, ideologischen und kulturellen Veränderungen im Ostblock sowie die verstärkte Globalisierung der Medien (zum Beispiel durch das Internet) mit ein. Auch hier wurden wieder bedeutende Werke der Sachliteratur (vor allem Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften) berücksichtigt.

Da im Zeitalter von Internet und Online-Datenbanken in nächster Zeit keine neue Print-Ausgabe zu erwarten ist, hat der Metzler Verlag nun die Reihe „Kindler Klassiker“ ins Leben gerufen. In ihr werden bedeutende Nationalliteraturen jeweils in einem Band vorgestellt. Im Herbst 2015 wurde die Reihe mit der deutschen, englischen und spanischen Literatur eröffnet, nun folgten im Frühjahr 2016 die amerikanische und französische Literatur.

Diese „Kindler Klassiker“ bringen eine umfangreiche Auswahl aus dem großen Kindler. Es ist also alles so wie im Original-KLL – nur jeweils eine Nationalliteratur in einem Band vereint. Die Schriftsteller und Schriftstellerinnen werden über alle kulturellen, epochalen und linguistischen Grenzen hinweg in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt. Zunächst mit einer kurzen biografischen Skizze (Biogramm), ehe dann eine fundierte Darstellung ihrer wichtigsten Einzelwerke (Werkartikel) folgt. Mitunter, wenn es kein herausgehobenes Werk gibt, wird auf das lyrische, erzählerische oder dramatische Gesamtwerk eingegangen (Werkgruppenartikel). Ergänzt werden diese durch einige wichtige Literaturhinweise. Den Abschluss der Bände bilden stets zwei umfangreiche Autoren- und Titelregister sowie kurze Hinweise für die Benutzung von „Kindler Klassiker“. Die Auswahl der nationalen Bände besorgten dabei Literaturwissenschaftler, die bereits als Fachberater an Kindlers Neuem Literatur Lexikon mitgewirkt hatten.

Die etwas beschränkte Auswahl fällt besonders beim „Kindler Klassiker“ der deutschen Literatur (694 Seiten) auf. So wird der Nutzer hier nicht alle Autoren der deutschen Literatur finden (zum Beispiel Theodor Körner, Ludwig Börne, Georg Herwegh, Paul Heyse, Arnold und Stefan Zweig, Theodor Plievier, Mascha Kaléko,  um nur einige Namen zu nennen). Eine vollständige Übernahme der deutschen Literatur aus dem KLL hätte sicher den Umfang einer einbändigen Ausgabe gesprengt, obwohl anfänglich für den deutschen „Kindler Klassiker“ 800 Seiten angekündigt waren.

Bei den „Kindler Klassikern“ der anderen europäischen Literaturen ist die jeweilige Auswahleinschränkung für den deutschen Nutzer kaum spürbar. So berücksichtigt der spanische Band neben der spanischen (kastilischen) Sprache auch andere sprachliche Provenienzen von Autoren auf spanischem Boden – beispielsweise Arabisch, Baskisch, Galizisch, Hebräisch, Katalanisch und Lateinisch. Während der französische „Kindler Klassiker“ auch die Literatur der französischen Kolonien oder von französisch schreibenden Dichtern wie Giacomo Casanova einbezieht, ist im englischen „Kindler Klassiker“ die Commonwealth-Literatur kaum vertreten. Da die amerikanische Literatur auf keine so lange Geschichte zurückblicken kann wie die europäischen Literaturen, ist die Auswahl der amerikanischen Autoren ziemlich umfassend. Sie reicht von den führenden Predigern der frühen Puritanergeneration bis zu den zeitgenössischen Schriftstellern.

Die „Kindler Klassiker“ als Auswahl des großen „Kindler“ präsentieren sich als ein umfangreiches und doch kompaktes Nachschlagewerk. Ob demnächst weitere Bände folgen werden (wünschenswert wäre zum Beispiel die russische, skandinavische, italienische oder lateinamerikanische Literatur), ist noch unklar. Für den Herbst 2016 ist zunächst ein Band mit Philosophie in Vorbereitung.

Titelbild

Hermann Korte (Hg.): Deutsche Literatur. Aus neun Jahrhunderten.
Reihe Kindler Klassiker.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2015.
694 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476040305

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Titelbild

Vera Nünning / Ansgar Nünning (Hg.): Englische Literatur. Aus acht Jahrhunderten.
Reihe Kindler Klassiker.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2015.
732 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476040312

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Titelbild

Gerhard Wild (Hg.): Spanische Literatur. Aus acht Jahrhunderten.
Reihe Kindler Klassiker.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2015.
556 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476040329

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Titelbild

Frank Kelleter (Hg.): Amerikanische Literatur. Aus fünf Jahrhunderten.
Reihe Kindler Klassiker.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016.
734 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476040336

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Titelbild

Gerhard Wild (Hg.): Französische Literatur. Aus fünf Jahrhunderten.
Reihe Kindler Klassiker.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016.
695 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476040343

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