Ein Rabbi zwischen allen Stühlen

Alfred Bodenheimer lässt seinen Protagonisten im dritten Fall ermitteln, diesmal in Basel

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Ihr Juden seid schwarz und verbrannt und nicht weiß und schön wie die meisten anderen Völker.“ So beginnt die Diskussion zwischen einem Christen und einem Juden bei Sebastian Münster, kein guter Anfang in einer politisch korrekten Zeit. Sebastian Münster allerdings lebte im 16. Jahrhundert, da durfte man noch Vorurteile haben. Geboren wurde er 1488 in Ingelheim, 1552 starb er als Rektor der Universität im reformierten Basel an der Pest. Als er dazu berufen wurde, verfasste er zweisprachig eine kleine Schrift, den „Messias“, ebenjene Diskussion zwischen dem Juden und dem Christen. Martin Luther kannte den Text, vielleicht wurde er durch ihn inspiriert, 1543 sein antijüdisches Buch „Von den Juden und ihren Lügen“ zu verfassen.

Spannend wird es für Rabbi Klein, der dieses dünne Büchlein Münsters liest, als es in ihm tatsächlich um den Messias geht – für die Christen war er ja schon da, für die Juden kommt er noch. Der Christ fragt: „Warum verspätet sich euer Messias so sehr, zu kommen und euch zu erlösen, und wie kann der Herr diese lange Zeit euer Leiden sehen, das im Exil auf euch lastet, und er errettet euch nicht daraus und vollzieht kein Gericht an euren Feinden?“ Der Jude antwortet: „Der Messias kommt noch nicht, aber er ist am Tag der Tempelzerstörung geboren, wie es in den Erzählungen steht.“ Rabbi Klein muss bei dieser Passage an einen israelischen Popsong mit dem Refrain „Maschiach lo ba, maschiach gam lo metalfen“ denken: „Der Messias kommt nicht, der Messias ruft auch nicht an.“

Einen Geistlichen als Detektiv, das kennt man vor allem von G. K. Chestertons „Father Brown“, der von Heinz Rühmann als „Pater Braun“ so schelmisch verhunzt wurde; einen Rabbiner als Aufklärer vom amerikanischen Autor Harry Kemelmann. Und jetzt auch vom Schweizer Alfred Bodenheimer, von dem vor Kurzem der dritte Fall um Rabbi Gabriel Klein mit dem Titel „Der Messias kommt nicht“ erschienen ist. Diesmal gelingt es dem Zürcher Rabbiner, ein Sabbatical zu nehmen und sich dabei nicht auszuruhen oder nach Israel zu fahren, wie es sich eigentlich gehört, sondern in Basel ein kleines Forschungsprojekt anzugehen: die Neuübersetzung ebenjener Schrift von Sebastian Münster, um die ihn der Basler Professor Blatt gebeten hat.

Natürlich hilft er der Basler Gemeinde gern aus, als die ihn bittet, einen Kollegen zu vertreten, der dem Burn-out erlegen ist. Und natürlich – Krimi bleibt Krimi – muss er dann auch gleich noch einen Mord aufklären. Beziehungsweise Kommissar Drulovic dabei helfen, der neben dem Mordfall Probleme mit seinen Mitarbeitern hat, die gerne mal etwas verschlampen: Denn während eines Wochenendseminars in der evangelischen Tagungsstätte Geissenberg, auf dem er den Schabbatgottesdienst abhalten soll, wird Gemeindevorstand Stéphane Hutmacher ermordet. Zwar wurden auch Rechtsradikale in der Nähe gesichtet, doch ebenso die Gemeindemitglieder, mit denen sich der Tote, ein erfolgreicher Anwalt und Gemeindevorstand, oft gestritten hat, sind verdächtig.

Mit vielen Details aus dem bunten, aufregenden und selten reibungsfreien Leben in den jüdischen Gemeinden der Schweiz (keine Sorge: in Deutschland sieht es genauso aus) erzählt Alfred Bodenheimer diese Geschichte; mit viel feinem Humor und Ironie, lebendigen Charakteren und vor allem einem Rabbiner, der sich unversehens zwischen allen Stühlen befindet. Schon seine Frau war nicht begeistert von seinen Plänen – und auch die eigene Gemeinde findet es befremdlich, dass er ein Sabbatical nimmt und dann den Rabbi einer anderen Gemeinde spielt. Bodenheimer beleuchtet in seinem Krimi außerdem das Wissenschaftsmilieu zwischen der Universität Basel und dem Jüdischen Museum kritisch, mit satirischen Seitenhieben auf Eifersüchteleien und Renommiersucht- Bodenheimer ist Leiter des Institutes für Jüdische Studien in Basel und weiß, wovon er schreibt. Zudem steht Rabbi Klein plötzlich inmitten eines langandauernden und verbissenen Streits zwischen dem Hutmacher und Gemeindechasan Jedidia Strumpf. Und plötzlich ist Hutmacher tot und Strumpf spurlos verschwunden. Das Ende ist sehr überraschend, ebenso wie die Aufklärung.

Auch in seinem dritten Krimi um Rabbi Klein beweist Bodenheimer, dass er lebendig zu schreiben versteht, die alltäglichen Querelen und Streitigkeiten in einer jüdischen Gemeinde darstellen und dabei gelehrte Diskussionen und einen verzwickten Fall sehr gradlinig und fein miteinander verknüpfen kann. Das Seelenheil kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz – es handelt sich eben um einen theologischen Krimi.

Titelbild

Alfred Bodenheimer: Der Messias kommt nicht. Rabbi Kleins dritter Fall.
Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2016.
208 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783312006861

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