Auf den spannenden Lebensspuren eines verbitterten und zynischen alternden Mannes

Zum letzten Roman von Henning Mankell (1948–2015)

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anfang Oktober 2015 ist der schwedische Schriftsteller Henning Mankell im Alter von nur 67 Jahren an seiner schweren Krebserkrankung gestorben. Als Autor der Kriminalroman-Reihe rund um den tragisch-traurigen Kommissar Kurt Wallander, die in über 40 Sprachen übersetzt wurde und auch zahlreiche prominent besetzte Verfilmungen erlebte, erlangte Mankell jahrzehntelangen Weltruhm. Neben den Wallander-Krimis hat sich der Autor aber auch Zeit seines schriftstellerischen Daseins mit seiner zweiten Wahlheimat Afrika literarisch auseinandergesetzt. Ab Mitte der 1980er-Jahre baute er in Maputo, Mosambik, eine Theatergruppe auf und übernahm dort 1996 die Leitung des Teatro Avenida. In seinen Romanen Der Chronist der Winde (2000) oder Die rote Antilope (2001) verarbeitete er Geschehnisse und Probleme in seinem geliebten Wahlkontinent Afrika.

Das vorliegende Buch Die schwedischen Gummistiefel erschien in Schweden kurz vor dem Tod des Autors unter dem Titel Svenska gummistövlar und ist ein eigenständiger Nachfolgeroman zu Die italienischen Schuhe von 2007. Der Wiener Verlag Paul Zsolnay veröffentlicht nun postum die deutsche Übersetzung des letzten Werkes von Mankell. Wie auch im Vorgängerroman steht der Arzt Fredrik Welin im Mittelpunkt der Handlung. Welin lebt seit einem folgenreichen Kunstfehler als Chirurg alleine und völlig zurückgezogen im ehemaligen Haus seiner Großeltern auf einer kleinen Insel in den Schären. Das Festland ist nur mithilfe eines kleinen Motorbootes erreichbar. Einzig die täglichen kurzen Besuche des ehemaligen Postboten Jannsson bringen ein wenig Abwechslung in den eintönigen und schwermütigen Alltag des von seinen Lebenserfahrungen verbitterten und zynischen alternden Mannes. Der beschaulich-langweilige Alltag findet allerdings eines Nachts ein jähes Ende. Welin wird jäh aus dem Schlaf gerissen und schafft es nur mit größter Mühe und mit zwei unterschiedlichen Gummistiefeln an den Füßen aus seinem lichterloh brennenden Haus zu flüchten. Mitnehmen kann er rein gar nichts und trotz rascher Hilfe seiner Nachbarn bleibt von dem einstigen Familienstammsitz nur mehr ein kläglicher Rest Schutt und Asche übrig. Welin findet Unterschlupf im Wohnwagen seiner mittlerweile im Ausland lebenden Tochter Louise und verschafft sich mit Mühe die nötigsten Dinge für den Alltag. Die Situation spitzt sich zu als Welin nach langwierigen Untersuchungen durch die örtliche Polizei gar unter den Verdacht der Brandstiftung gerät. Die Tochter kommt zwar für kurze Zeit auf die Schäreninsel, nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater verschwindet die junge Frau allerdings ohne Nachricht. Kurze Zeit später wird Welin informiert, dass Louise in Paris wegen Diebstahl inhaftiert wurde, reist dort völlig unvorbereitet hin, und erfährt, dass die Tochter verheiratet ist. Als er nach der Freilassung Louises wieder auf seine einsame Insel zurückkehrt, wird er selbst Zeuge einer weiteren Brandstiftung an einem Nachbarhaus. Auch wenn dadurch der polizeiliche Verdacht auf Welin wegfällt, so bleibt unter den Schärenbewohnern eine große Angst vor weiteren Feuerkatastrophen. Letztendlich klärt sich der Fall mit einem überraschenden Coup auf, der sehr an Mankells frühere Wallander-Krimis erinnert.

Im Großen und Ganzen ist der letzte Roman Mankells aber eine subtil-tragische Reise in die persönliche Vergangenheit eines verbitterten alten Mannes, der an der Einsamkeit in den Schären und den negativen Erinnerungen stellenweise fast zu zerbrechen droht. Am Ende steht ein mit sich und seiner Umwelt hadernder Mann, der – und das ist typisch für den viel zu früh verstorbenen schwedischen Bestseller-Autor und großartigen Kenner der menschlichen Seele – doch auch einen letzten Rest positiver Energie aus all den negativen Ereignissen ziehen kann.

Diese postum veröffentlichte deutsche Ausgabe von Mankells letztem Werk ist erwartungsgemäß ein lesenswertes, psychologisch einzigartig durchkomponiertes Stück Unterhaltungsliteratur, das einmal mehr zeigt, dass unterhaltender Lesestoff nicht automatisch mit Seichtheit und trivialer Oberflächlichkeit gleichgesetzt werden darf. Auch wenn Die schwedischen Gummistiefel kein Krimi im engen klassischen Sinn ist, so trägt diese tragische Lebensgeschichte eines alten Mannes so manch spannende Elemente in sich, die stellenweise stark an Mankells großartige Kriminalromane erinnern und somit seine große Lesegemeinde unverändert erfreuen wird.

Titelbild

Henning Mankell: Die schwedischen Gummistiefel. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Verena Reichel.
Deuticke Verlag, Wien 2016.
475 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783552057951

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