Goethe als Comic

Ein zweibändiges Werk erzählt Goethes Leben in Bildern

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Goethe als Comic-Strip ist eine bestechende Idee. Um sie zu realisieren, haben sich das Goethe-Institut und der Ehapa-Verlag zu einer Kooperation zusammengefunden. Friedemann Bedürftig hat den Text konzipiert und Zitate für den illustrativen Teil ausgewählt - in der Hauptsache Sentenzen aus den autobiographischen Schriften, den Briefen, der "Italienischen Reise", dem fiktiven Werk. Christoph Kirsch hat die Illustrationen geschaffen: Eine angenehme, freundlich-erdige Palette geleitet uns durch Goethes Leben. Man merkt, daß hier mit Sorgfalt recherchiert und das Recherchierte sorgfältig umgesetzt wurde. Kirsch ist ein kenntnisreicher Zeichner, er versteht es, seinen Bildfindungen eine historische Patina zu geben und doch zeitgenössisch zu bleiben. Man bekommt erstmals einen Eindruck, wie das Puppenspiel ausgesehen haben könnte, mit dem Goethe als Kind den Faust-Stoff aufführte; es werden nach und nach weitere kleine Bausteine für den "Faust" im Bild gezeigt, die Hinrichtung der Kindesmörderin 1772 in Frankfurt ("Gretchen"), Fausts Ritt auf dem Weinfaß ("Auerbachs Keller"), die Brockenbesteigung ("Walpurgisnacht"); man erfährt, wie Goethe seinen Lehrer Christian Fürchtegott Gellert erlebt haben mag, am Leitfaden seiner frühen Liebesbegegnungen (Friederike Brion, Charlotte Buff, Elisabeth Schönemann, Charlotte von Stein) wird seine Education erotique dargestellt, am Ende des ersten Bandes sieht man Goethe und Christiane Vulpius vor dem Weimarer Gartenhaus, ein Geschenk des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar.

Natürlich frönt ein solches Werk dem hemmungslosen Biographismus: Es inszeniert Goethes Œuvre als Abbildung des Lebens und führt sein Leben wiederum in Abbildung zurück. Das muß man wohl in Kauf nehmen. Christoph Kirsch erzählt in seinen Bildern aber auch ein Stück Kunstgeschichte, indem er etwa Tischbeins berühmtes "Rückenportrait" von 1786/87 (Goethe blickt hinaus auf den Corso) umstandslos übernimmt; viele Bildfindungen, Landschaften wie Stadtlandschaften, erinnern an Canaletto, Guardi, Piranesi, vieles mag an Goethes eigene Hand erinnern: Immerhin tausend Blätter mit Skizzen soll der zeichnende Dilettant von seiner Italienreise mitgebracht haben. Bei der Umsetzung von Tischbeins berühmtestem Bild - Goethe in der Campagna di Roma (1786 - 1788) - ist dem Verlag offenbar ein Mißgeschick passiert, das Titelbild des vorliegenden Bandes ist in scheußlich-cremigen Farben wiedergegeben: Kitsch statt Kirsch.

Titelbild

Friedemann Bedürftig / Christoph Kirsch: Goethe. Zum Sehen geboren. 1749-1789. Bd. 1.
Ehapa Verlag, Leinfelden-Echterdingen 1999.
56 Seiten, 10,10 EUR.
ISBN-10: 3770417496

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