Weimar im Grauschleier

Paul Raabes Spaziergänge durch die Künstlerstadt

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Kulturhauptstadt Weimar hat zahlreiche Würdigungen erfahren, unter denen die von Paul Raabe (dem Nachfolger Erhart Kästners in der Herzog-August-Bibliothek und renommierten Expressionismus-Forscher) ein solides und bewährtes Standardwerk darstellt, von dem mittlerweile (seit seinem ersten Erscheinen 1990) viele neue Weimar-Führer gelernt haben. Inzwischen liegt eine erweiterte Neubearbeitung vor.

Paul Raabe legt Wert darauf zu zeigen, wie sehr Weimar gegen Ende des 19. Jahrhunderts erneut Künstlerkolonie geworden und bis in die dreißiger Jahre hinein geblieben ist. Er hat Sorge getragen, daß wichtige Weimar-Motive und Dokumente der Frühen Moderne in seinen Band aufgenommen wurden: Der Kongreß der Konstruktivisten und Dadaisten 1922, oder Lyonel Feiningers "Kathedrale der Zukunft" (der Kirchturm von Gelmeroda, 1919), die das Weimarer Bauhaus-Manifest von 1919 schmückte. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Paul Klee, der seit 1921 Am Horn 53 wohnte, ist noch heute das erste Musterhaus der Bauhaus-Architektur (von Georg Muche, 1923) zu besichtigen.

Natürlich zeigt Raabe auch das historische Weimar und die Denkmäler der berühmtesten Weimarianer (von Rietschel, Otto Lessing, Ludwig Schaller usw.), wobei die Bildlegenden leider nicht immer erläutern, welcher Künstler das jeweilige Denkmal geschaffen hat. Auch Weimars Umgebung wird selbstverständlich mit einbezogen, das KZ Buchenwald ("Jedem das seine"), der Großkochberg, das Rokokoschloß Dornburg, Schloß Ettersberg, Oßmannstadt, Wielands Begräbnisstätte usw..

Das einzige größere Manko des Bandes liegt im Herstellerischen. Viel zu grobe Rasterungen der Bilddokumente führen dazu, daß ein häßlicher Grauschleier über dem Band liegt, daß die Bilder teilweise extrem unscharf sind und förmlich in Nebelbänken "versuppen". Über Paul Klees Arbeitszimmer liegt ein einziger Grauschleier, Franz Kafka und Margarethe Kirchner sind im Garten des Goethehauses kaum von der Hecke zu unterscheiden, der belgische Künstler Henry van de Velde, der in seinem Weimarer Arbeitszimmer gezeigt wird, verschwimmt fast mit dem Sofa, auf dem er sitzt. Wenn dann zusätzlich noch Aufnahmen im Gegenlicht reproduziert werden, glaubt man, eine Stadt aus grauer Vorzeit zu erleben. Das Bildmaterial in Raabes Band ist größtenteils historisch und schon von daher nicht das beste. Da empfiehlt es sich, wenigstens bei der Reproduktion das Optimale herauszuholen.

Titelbild

Paul Raabe: Spaziergänge durch Goethes Weimar.
Arche Verlag, Zürich 1999.
224 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 371602256X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch