Unbehagliche Zuneigung

Deirdre Maddens unspektakulär-fesselnder Roman

Von Michael SchmittRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Schmitt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht jeder wird der Meinung sein, daß es einem erwachsenen Menschen gut zu Gesicht steht, wenn er oder sie nach Wochen der Besinnung in einer tiefen Lebenskrise wenig mehr zu sagen vermag als: "Ich bin unglücklich, weil ich nicht weiß, wie ich leben soll." Schließlich geht es jedem so - und also dürfte man wohl ein bißchen mehr erwarten oder gar nicht erst daran erinnert werden.

Wenn nun aber ein ganzer, wenn auch schmaler Roman anscheinend nicht viel mehr vorführt, als eine der Hauptfiguren zu genau dieser Erkenntnis zu leiten, und sich der Leser dabei trotzdem nicht langweilt, dann liegen die Dinge wohl komplizierter. Dann geht es nicht mehr um die bescheidene Erkenntnis, sondern um den Weg dahin - und mehr noch darum, wie man diesen Zustand aushalten kann oder soll.

Deirdre Madden beschreibt das mit leichtem Ton und einem genauen Blick für ihre Charaktere. Sie erzählt von drei Frauen, die ein paar ereignislose Wochen in Donegal im Nordwesten Irlands verbringen. Ihre Interessen sind unterschiedlich und ebenso verschieden sind ihre Methoden, sich die Probleme, die sie mit dem Leben haben, ein bißchen vom Leib zu halten. Claire, die Künstlerin, sucht ihr Heil in der Distanz und pflegt in ihrem kargen Häuschen einen moderaten Fatalismus. Anna, die Älteste, hat immer eine Flasche in der Nähe und neigt dazu, auf ihre erwachsene Tochter zu schimpfen. Nuala, das Sorgenkind, sucht Abstand zu dem wohlgeordneten Leben mit Mann und Baby in Dublin.

Sie vertrauen einander, obwohl sie sich kaum kennen; sie gehen sich auf die Nerven, weil sie unverhofft zu eng beieinander leben. Sie pflegen so etwas wie eine "unbehagliche Zuneigung" -- und die bringt jede von ihnen ein kleines Stückchen weiter. Das ist nicht spektakulär und will es auch nicht sein - und kann gerade deshalb den Leser fesseln. Vielleicht weist der deutsche Titel ein wenig in die falsche Richtung: "Die Farben des Sommers" klingt ziemlich bieder und nach gepflegter Melancholie. Im Original lautet der Titel "Nothing is black" und verdankt sich der Farbpsychologie von Frida Kahlo. Das klingt dann nicht mehr ganz so harmlos.

Titelbild

Deirdre Madden: Die Farben des Sommers. Aus dem Englischen von Peter Torberg.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1999.
176 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3608933271

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