Fernweh pragmatisch

Die Reise-Gebrauchsanweisungen des Piper Verlags

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gebrauchsanweisungen sind unverständlich, kompliziert und von spezialisierten Analphabeten geschrieben, die den geneigten Leser lässig in den Wahnsinn schicken können. Zu diesem gängigen Vorurteil tritt der Piper Verlag mit seiner Reise-Reihe "Gebrauchsanweisung für..." den Gegenbeweis an. Gemeinsam ist den rund 15 Monographien, dass sich ihre Autoren den vorgestellten Landstrichen und Ländern kenntnisreich und liebevoll nähern, mit einem Gespür für die Klischees und Bilder in den Köpfen der daheim gebliebenen Lehnstuhlreisenden.

Arno Frank Eser nimmt im Vorwort seiner "Gebrauchsanweisung für Kuba" diese Besserwisser schalkhaft auf den Arm: "Buenos dias. Haben Sie auch den Film Buena Vista Social Club gesehen? Natürlich haben Sie ihn gesehen. Denn Sie gehören ja zu uns, das sieht man sofort. Sie sind Kuba-Experten aus echtem Schrot und Korn. Experten, denen man eigentlich nichts mehr vormachen kann. Sie wissen genau, was auf Castros Insel passiert und was dort passieren sollte. Auch wenn Sie noch nicht vor Ort waren." Eser weiß ebenfalls um die schiere Unmöglichkeit, den heutigen medial überversorgten Lesern noch etwas Neues über Kuba, Cohiba und Castro zu erzählen. "Es könnte ja sein, dass ich noch ein paar neue Tipps parat habe. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber die Möglichkeit besteht immerhin. Zumindest rein theoretisch."

Im Kapitel über "Papa" Ernest Hemingway und seine bevorzugten Kneipen gelingt Eser diese Synthese, eine Synthese aus Standardinformationen über den rauflustigen, trinkfesten, liebestollen Macho und dem ungewöhnlichen Detail: "In Alt-Havanna habe ich einmal gehört, wie sich zwei junge Burschen genüßlich über eine vorbeischlendernde chica ausließen: 'O Mann, die hat wirklich tolle Beine, und der aufregende Gang, sie sieht überhaupt verdammt gut aus. Sie ist wirklich Hemingway.' Der Name Hemingway ist zum Synonym für gut, toll, aufregend geworden."

Nikolaus Nützel wählt in seiner "Gebrauchsanweisung für Andalusien" einen anderen Ansatz: Er will die Projektionen und Sehnsüchte der Leser produktiv nutzen: "Andalusien. Mit diesem Wort kann jeder etwas verbinden, egal, ob er bereits dort gewesen ist oder versucht hat, sich die Realität Andalusiens zu erarbeiten. Denn mindestens so wichtig wie die Wirklichkeit dieser Landschaft ist ihr Traumbild." Und er gibt den Lesern einen einzigen Ratschlag: "den Zugang finden über Assoziation und Gefühl. Wunderbar irrationale Sehnsüchte zulassen, auch wenn sie dem echten Andalusien des 21. Jahrhunderts nicht immer und überall gerecht werden."

Und der Autor beherzigt seinen eigenen Ratschlag: In seiner peniblen Diskussion des "rätselhaften Rituals" Stierkampf fügt Nützel rationale Argumente und deren emotionalen Überbau so zusammen, dass er das "Mysterium" des blutigen Schauspiels in seinen ästhetischen und sozialen Dimensionen darstellen kann, ohne ihm seine Rätselhaftigkeit zu nehmen. Fazit: "Das Schicksal des Stierkampfes steht und fällt mit der Frage, ob sich das Band der spirituell-mystischen Begeisterung für diese Art des Opfertodes in die Zukunft spinnen läßt oder nicht."

Titelbild

Nikolaus Nützel: Gebrauchsanweisung für Andalusien.
Piper Verlag, München / Zürich 2000.
192 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3492042783

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Titelbild

Arno Frank Eser: Gebrauchsanweisung für Kuba.
Piper Verlag, München / Zürich 2000.
192 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3492042546

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