Ein Märchen war ihre Liebe nicht

Über Hildegard Baumgarts Doppelbiografie "Bettine Brentano und Achim von Arnim"

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die "romantische" Liebe war es nicht. "Hätte man Arnim gefragt, wen er in seinem Leben am heftigsten geliebt habe, so hätte er sicher noch nach Jahrzehnten geantwortet, seine ,große Liebe' sei nicht Bettine, sondern Auguste Schwinck gewesen". In ihrer Doppelbiografie "Bettine Brentano und Achim von Arnim - Lehrjahre einer Liebe" geht Hildegard Baumgart jedoch keinen schwärmerischen Vorstellungen nach, sondern der viel interessanteren Frage, wie eine Liebe zwischen zwei "Romantikern" wohl im "wirklichen Leben" ausgesehen hat. Das Ergebnis ist ein anrührend-sensibles Porträt zweier faszinierend eigenwilliger Menschen, die sich in einem jahrelangen Briefwechsel sachte und behutsam einander annäherten.

Von der betörenden - und hier ganz und gar romantischen - Sprache der Briefe, die ausgiebig zitiert werden, bezieht denn auch Baumgarts Studie einen großen Teil ihres Reizes. Über fünf Jahre, von 1806 bis1811, währte der Briefkontakt Bettine Brentanos, der Schwester des Dichters Clemens Brentano, mit ihrem späteren Ehemann, Clemens' Freund Achim von Arnim. Nichts lag zunächst ferner als eine Heirat. Die 1802 durchaus in einer gewissen "Kuppelabsicht" von Clemens arrangierte erste Begegnung zwischen Bettine und Achim endet vorerst kühl. Erst vier Jahre später wird der Kontakt von Arnim wieder hergestellt - und reißt nicht mehr ab. Es ist eine bewegte Zeit für beide: Während Bettine in ihrer Verehrung für Goethe schwelgt, verliebt sich Arnim in Königsberg unglücklich in die erst 14-jährige Auguste Schwinck. Eben diese Liebe aber bedeutet letztendlich auch den Beginn der Annäherung an Bettine, die in ihren Briefen intensiv an Arnims Gefühlen teilnimmt. Der Übergang ist fließend. Ein erstes "Du", Zwischentöne, zarte Andeutungen und metaphorische Schwärmereien zeichnen die Korrespondenz der beiden aus. Bis es schließlich keiner Worte mehr bedarf. Oder gleich überdeutlich ausgesprochen wird. Bettine: "Du Bester, Liebster, der immer so liebreich scheint, als wenn ich von jeher Deine Güte verdient hätte, nie fremd und neu und doch nie alt und bekannt scheinst."

Die Geschichte dieser wunderbaren Briefbeziehung wird von Baumgart, die sich seit etlichen Jahren mit der Epoche der Romantik beschäftigt, überaus kenntnisreich in die Biografie der Hauptpersonen eingebettet. Bettines Freundschaft mit der Dichterin Karoline von Günderrode oder der Mutter Goethes, die familiäre Skizze der Brentanos, aber auch Arnims Lebenshintergrund und dichterische Tätigkeit werden detailliert nachgezeichnet. Auch das bekannte Bild vom kindlich-fröhlichen "Naturwesen" Bettine relativiert die Autorin - als eine Maske, hinter der Bettine auch andere, ernsthafte und melancholische Züge versteckte. Das allein trägt das Buch mehr als genug. Störend sind deshalb Baumgarts eigene sehr platitüdenhafte Kommentare und Klischees zu allgemeinen Fragen der Geschlechterbeziehung oder aber ihre allzu freien psychologischen Mutmaßungen über Begebenheiten, zu denen kein gesichertes biografisches Material vorhanden ist.

Zweifelsfrei verbürgt ist jedoch die heimliche Hochzeit von Bettine und Arnim am 11. März 1811 in der Bibliothek eines Pfarrhauses in Berlin. Hier endet auch die Biografie. Happy end also? Bekanntlich sind die folgenden Jahre vor allem für Bettine als Mutter von sieben Kindern alles andere als einfach. Hildegard Baumgart, die ja das "wirkliche Leben" zeigen wollte, betont deshalb: "Ein Märchen ist meine Geschichte nicht. Daher soll der Arnimschen Ehe eine weitere Arbeit gewidmet werden." Der Leser darf sich auf die Fortsetzung freuen.

Titelbild

Hildegard Baumgart: Bettine Brentano und Achim von Arnim. Lehrjahre einer Liebe.
Berlin Verlag, Berlin 1999.
493 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3827002710

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