Kompendium und Kaleidoskop

Roland Berbig hat "Fontane im literarischen Leben" verortet

Von Stefan NeuhausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Neuhaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

An Nachschlagewerken, Abhandlungen und Detailstudien über Theodor Fontane herrscht derzeit kein Mangel. Das vergangene Jahr brachte einige herausragende Neuerscheinungen, hier ist vor allem das "Fontane-Handbuch" des Kröner-Verlags zu nennen. Auf seine Art ist Roland Berbigs Studie über "Theodor Fontane im literarischen Leben" aber nicht weniger wichtig. Zum ersten Mal wird dieses weite Feld gründlich vermessen, soweit es das institutionalisierte "literarische Leben" und dessen Vertreter betrifft.

Buy one, get two free. Man erhält eigentlich drei Studien in einer. Gegliedert wurde einerseits chronologisch nach Publikationsdaten Fontanescher Texte, andererseits nach Namen von Zeitungen, Zeitschriften, Verlegern und Vereinigungen (dies die vier großen Abschnitte). Das Buch kann also als Spezialstudie zu einem Aspekt der Fontaneforschung, als Fontane-Biographie mit besonderem Schwerpunkt und als Abhandlung über die Medienlandschaft von etwa 1840 bis 1900 gelesen werden. Nicht weniger als vier Register (Personen, Publikationsorgane, Verlage und Institutionen, Werke Fontanes) machen es dann noch möglich, die umfangreiche Studie für jeden der Wissensbereiche als Nachschlagewerk zu benutzen. Berbig schreibt überdies klar und sachlich, mit bestechender Präzision.

Selbst für den Fontane-kundigen Leser eröffnen sich viele neue Perspektiven. Die Abbildungen von Titelseiten der behandelten Zeitungen und Zeitschriften beispielsweise sind, in der Summe, deshalb so verblüffend, weil einem erst hier richtig klar wird, wie oft sie durch Fontane-Texte geziert wurden. Dies ist ein Beleg für Berbigs durchgängig verfolgte These, dass man es "mit einem Autor zu tun hat, der alle Presse-Institutionen kennengelernt hatte und dessen literarische Arbeit zu großen Teilen aus diesen Beziehungen entstanden waren". In der Forschung sind, auch hier ist Berbig zuzustimmen, längst nicht alle Konsequenzen aus dieser Beziehungs-Häufigkeit gezogen worden. Wohltuend ist, um nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen, Berbigs unbestechliches Urteil über Julius Rodenberg, den Herausgeber der "Deutschen Rundschau", dessen Differenzen mit Fontane früher gern gegen ihn verwendet wurden.

Es bleibt auf eines hinzuweisen, das diese Studie nicht leistet. Aus der weiterhin aktuellen Diskussion über Fontanes politische Überzeugungen und deren Wandel hält sich Berbig weitgehend heraus, auch wenn die eigene Meinung an einer Stelle durchscheint. Berbig konstatiert, dass Fontanes "konservativ-reaktionäre Wende mittlerweile außer Zweifel steht". Damit ist der aktuelle 'mainstream' der Forschung bezeichnet, doch dürfte es einige diesem 'mainstream' nicht verpflichtete Forscher geben, die genau das bezweifeln würden. Fontane war kein politisch denkender Mensch im heutigen Sinne, wie sollte er da eine "konservativ-reaktionäre Wende" vollzogen haben? Solche Zuschreibungen sind bisher noch immer gescheitert. Abgesehen von diesem Detail werden die politischen Verstrickungen Fontanes, die ja auch seine Beziehungen zu Zeitungen und Zeitschriften betreffen, soweit wie möglich ausgeblendet. So umfasst das Kapitel über die für Fontane schicksalhafte "Centralstelle für Preßangelegenheiten" wenig mehr als zwei Seiten. Auf die Darstellung der (teilweise sehr dubiosen) Beziehungen zu englischen Zeitungen wird gänzlich verzichtet.

Titelbild

Roland Berbig / Bettina Hartz: Theodor Fontane im literarischen Leben.
De Gruyter, Berlin 2000.
489 Seiten, 65,40 EUR.
ISBN-10: 3110162938

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