Wild wächst die Blume meines Zorns

Joachim Hoell portraitiert den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard

Von Janine BachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Janine Bach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heuer wäre Thomas Bernhard 70 Jahre alt geworden. Zwölf Jahre nach seinem Tod erinnern Literaturwissenschaftler, Kritiker, Journalisten und Bernhard-Experten an diesen Geburtstag. Unbestritten ist: Thomas Bernhard schuf eines der eindrucksvollsten Werke deutscher Sprache. Zahlreiche Preise hat er für seine Lyrikbände, Theaterstücke und Romane erhalten, bis der von allen Gelobte schließlich anfing, Auszeichnungen abzulehnen, da er nicht die übliche Schönrednerei bei solchen Preisverleihungen pflegte. Möglicherweise hat ihn diese Haltung den Literaturnobelpreis gekostet, für den er Mitte der 70er Jahre vorgeschlagen war, denn er hatte öffentlich geäußert, auch diesen ablehnen zu wollen.

Ein schwieriger Charakter, dieser Thomas Bernhard. Auf literarischem Wege verarbeitete er seine höchst traumatische Kindheit und Jugend sowie den ihn stets begleitenden Komplex um die österreichische, seinerzeit nationalsozialistisch-katholische Herkunft. Durch das Schreiben wollte er die Vergangenheit förmlich auslöschen. "Auslöschung. Ein Zerfall" heißt denn auch einer seiner bedeutendsten Romane, der kurz vor Bernhards Tod als eine Art literarisches Vermächtnis veröffentlicht wurde.

Dass hinter einem preisgekrönten Autor mit Herkunftskomplex aber auch ein Mensch mit Sinn für Komik und Lebenslust steckt, zeigt der Literaturwissenschaftler Joachim Hoell anschaulich in dem Band "Thomas Bernhard", der in der Reihe "dtv portrait" erschienen ist.

Hoell beleuchtet beide Seiten des Thomas Bernhard: auf der einen Seite ist den Einzelgänger, der Zeit seines Lebens mit der eigenen schrecklichen Vergangenheit kämpfte, die ihn nie wirklich loszulassen schien, und der schon sehr früh Bekanntschaft mit Karankheit und Tod machen musste. Und auf der anderen Seite den Komödianten Bernhard, der bei Freunden als einfallsreicher Alleinunterhalter geschätzt wurde und der mit geradezu liebevoller Hingabe und Passion alte Bauernhöfe restaurierte, in denen er auch lebte.

In zehn Kapiteln, die Bernhards elementare Lebensphasen umfassen, offenbart Joachim Hoell dem Leser einen Autor, in dem die tief verletzte Kinderseele auf einen wachen und kritischen Geist trifft; ein Umstand, aus dem ein ambitionierter, lebensinteressierter Künstler erwächst. Trotz zahlreicher Schicksalsschläge gab Thomas Bernhard sich niemals auf, sondern arbeitete wie besessen umso intensiver an seinem Werk, für das er, dank seines Verhandlungsgeschickes, seinen Verlegern nicht selten Höchstsummen abtrotzte. Den Roman "Frost" schrieb Bernhard nach der Devise: "es müsse doch möglich sein, einen Roman in vier Wochen zu schreiben, wenn man es nur wirklich wolle". Sieben Wochen später lag das Manuskript fertig im Verlag und wurde schließlich zum erhofften, durchschlagenden Erfolg.

Ergänzt wird Hoells Text durch zahlreiche fußnotenartige Zusatzanmerkungen, Fotos und Zeittafeln, so dass auch der Bernhard-unkundige Leser einen guten Einblick in seinen familiären Hintergrund, sein Werk und die Art und Weise, wie andere den Künstler wahrnahmen, erhält.


Titelbild

Joachim Hoell: Thomas Bernhard. Dtv portrait.
Herausgegeben von Martin Sulzer-Reichel.
dtv Verlag, München 2000.
160 Seiten, 8,40 EUR.
ISBN-10: 3423310413

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