Versunken im Meer von Blut und Sperma

Über Konrad Hansens Roman "Die Rückkehr der Wölfe"

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Rückkehr der Wölfe" ist für jemanden, der wie der Rezensent Abenteuerromane liebt, ein wunderbar kurzweiliges Buch. Und mehr als unterhalten will Konrad Hansen eigenem Bekunden nach auch gar nicht. Aber zwischen Kurzweil und Unterhaltung liegt ein feiner Unterschied. Und unterhaltsam ist sein Roman nun wiederum nicht.

Konrad Hansen kann so erzählen, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. "Der schon zum Zerreißen gestraffte Körper schien den an ihm zerrenden Kräften zu widerstreben, man hörte die Seile ächzen, doch seiner Sache sicher, stemmte Meister Claus sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Kurbel, und während ein markerschütternder Schmerzensschrei den Raum erfüllte, ging ein Ruck durch Lenes Körper, die Stränge erschlafften, und der Boden unter der Bank rötete sich mit ihrem Blut." Das ist eine der harmlosesten Passagen aus den Schilderungen der Hexenfolter, die Hansen gibt.

Wie in seinen beiden vorherigen Büchern "Simons Bericht" und "Die Männer vom Meer" bleibt Hansen auch in "Die Rückkehr der Wölfe" seinem Sujet treu. Er taucht tief in die Vergangenheit und tränkt damit das Geflecht seines Textes. Dabei bleiben viele kleine, schöne und sehr anschauliche Geschichten hängen. Zu viele. Denn unter den gesammelten Anekdoten erkennt man nicht mehr, was eigentlich Hansens Geschichte ist.

Jobst Steen flieht Ende des Dreißigjährigen Krieges aus Rostock in die Probstei, einem öden, windigen und meerumschlungenen Landstrich östlich der Kieler Förde. Mit vielen Andeutungen baut Hansen eine enorme Spannung um den Grund der Flucht auf. Steen hatte eine Affäre mit einer verheirateten Frau aus einer einflussreichen Familie. Seitenlang wartet man darauf zu erfahren, was denn genau geschehen ist. Es wird nicht berichtet.

Steen ist ein Findelkind, aber seine Mutter hat im Verborgenen immer über seine Geschicke gewacht. Nun kreuzen sich beider Wege erneut. Und es geschieht - nichts.

Neben einer ordentlichen Menge Körpersäfte, die Steen in den verschiedenen Frauenleibern der Probstei verliert, ist es vor allem seine Beziehung zu dem elfischen Mädchen Wibeke, die Erwähnung findet. Auch Wibeke fällt dem Hexenwahn zum Opfer. Mit viel Kunstfertigkeit präsentiert Hansen in ihr einen Charakter, der ein weit besseres Schicksal verdient hätte, als am Ende des Buches sang- und klanglos auf dem Scheiterhaufen zu verglühen.

Und der einzige Freigeist des Ortes, Lehrer Hinrich Wiese, ein Robin Hood der Seelen, lässt sich nicht vom Irrsinn des Hexenwahns einschüchtern und trotzt der kirchlichen Mordlust. Denkt man. Hansen und das Gericht machen kurzen Prozess.

Und der Rezensent, der so gerne selbst das Schwert der Anständigen geschwungen hätte, um seine Liebste den Flammen zu entreißen, legt das Buch enttäuscht aus der Hand. So viel Sinnlosigkeit und vergebliche Liebe. Fast fühlt man sich als Teil der spätmittelalterlichen Verwerfungen. Das ist nicht sehr unterhaltsam - und als Erzählstrategie auch wiederum nicht konsequent durchgesetzt. Es ist einfach nur schade, um die vielen toten Menschen und um das Buch.

Titelbild

Konrad Hansen: Die Rückkehr der Wölfe. Roman.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
384 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3821807830

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