Eine Woche Ewigkeit

Elisabeth Alexanders weihrauchschwangere Lyrik

Von Katrin Viktoria MühlRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Viktoria Mühl

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Elisabeth Alexander beobachtet "Am Fußende des Bettes" die Zustände einer Welt, wie sie vor 35 Jahren war. Die Gedichte entstanden bereits 1966 und wurden 1999 zum 77. Geburtstag der Schriftstellerin veröffentlicht. Vermeintlich Alltägliches wird darin mit pointierten Zuspitzungen und ungewohnten Wendungen neu reflektiert. Optisch ansprechend ist die Gestaltung der Kapitel, die als "Wochentage" gegliedert sind. Der Leser wird dabei mit Fotografien überrascht, die den Lebensphasen der Alexander zugeordnet sind: "Montag" zeigt sie beispielsweise als Schülerin; beim Fernseh-Interview am "Freitag" wird bildlich zitiert: "im Bett ist sie zuhause". Sonntags gibt's kein Bild; es wird geruht, damit Montag die Schöpfung von neuem beginnen kann...

Der zeitgemäße Titel des schmalen Bandes hebt sich von den Gedichten ab, denn Alexander setzt sich mit übergeordneten Themen auseinander, wie mit der Liebe zu Gott und dem Verhältnis von Leben und Tod zur Ewigkeit. Sie zeigt uns keine "heile Welt", schärft jedoch den Blick für die Schönheit auf der Welt - jenseits aller Unvollkommenheit. Die Lyrikerin schafft raum- und zeitlose Gebilde mit hoffnungsvollen und apokalyptischen Visionen. Teils mit realen, teils mit surrealen Bildern provoziert sie innerhalb der Texte diskursive Brüche. Die knappen Zeilen, beispielsweise in "Auf den Stufen der Ewigkeit", sind durchsetzt mit Farbmetaphern und vor allem christlicher Metaphorik: "Rebstöcke sind Liebende / wähnen den Stillstand / im prallen Rot / und wildernde Raben / pflücken das Licht / [...] / So und nicht anders / geschieht die Unterwerfung / an die Liebe".

Die Gedichte bestehen aus drei bis sechs Strophen in freien Rhythmen, komponiert in einem Spannungsverhältnis von Metrum und inhaltlicher Akzentuierung, meist in "vollständigen Sätzen", mit offenem Ende. Die erste Zeile ist als Überschrift fett gedruckt und geht direkt in den Text über. Darin und in den Zeilensprüngen manifestiert sich optisch und inhaltlich der Übergang von Bildern ihres emotional gefärbten Denkens. Ein Beispiel aus "Süße Klänge": "Liebliche Töne / schmelzen erfrorene / Herzenstränen".

Die große alte Dame verfügt über einen eindrucksvollen Sprachschatz, den sie dicht einsetzt. Buchstäblich augenfällige Beispiele hierfür sind eigene Wortschöpfungen und synästhetische Kombinationen, die vor allem die visuellen und haptischen Sinneseindrücke einbeziehen.

Die zunächst vielversprechende Kapiteleinteilung bleibt jedoch ästhetisch folgenlos: Inhaltlich und stilistisch ist von Montag bis Sonntag bzw. von der "Alexander als Schülerin" bis "in ihren hohen Jahren" keine hinreichende Veränderung oder Entwicklung erkennbar. Auch die Symbolsprache - wie etwa "Sonne und Mond", "Licht und Schatten" - bleibt konventionell.

Die Leitmotive ermöglichen eine Lesart aller Gedichte als ein einziges Poem: der christliche Glaube durchzieht es als roter Faden - dabei entbehrt der Ton nicht eines gewissen Pathos. Man erkennt Lebensweisheit, aber auch hie und da einen moralisch erhobenen Zeigefinger. Martin Walser kommentierte es so: "Ich habe einzelne schöne und sehr sehr schöne Gedichtzeilen gelesen".

Titelbild

Elisabeth Alexander: Am Fußende des Bettes. Gedichte.
Edition Tréves, Trier 1999.
96 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3880814252

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