Abg(es)ang

René Fülöp-Miller macht "Katzenmusik"

Von Viola HardamRSS-Newsfeed neuer Artikel von Viola Hardam

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Maladin nach Monaten nach Hause zurückkehrt, traut er seinen Augen nicht: Da sitzt der Konzertunternehmer Glaxmann am Mittagstisch und klemmt sich mitten im Gespräch "sein Trinkglas zwischen Nase und Augenbrauen und starrt wie durch ein Monokel hindurch". Noch befremdlicher aber scheint ihm das ständige "pieps, pieps, pieps" seiner Frau während des Redens. Und dann strecken plötzlich alle die Zungen heraus und rollen mit den Augen.

Maladins Frau, die ältere Tochter, der Impresario, das Gesangfräulein, das Kindermädchen, ja sogar der Professor sind nicht wiederzuerkennen. Nur seine jüngste Tochter Kiki wippt vergnügt auf ihrem Stuhl hin und her und strahlt. Was ist hier während seiner Abwesenheit geschehen? Wieso benehmen sich alle so seltsam? "Das Kind hat das gern!" erklärt ihm seine Frau kurz. Kiki, die vierjährige Tochter der Maladins, ist als bisher jüngstes Gesangstalent von dem Konzertunternehmer Glaxmann entdeckt wordem. Allerdings kann Kiki nur imitieren, was ihr eine Opernsängerin vorsingt. Also wird auch diese engagiert, obwohl die kränkelnde Diva nicht sehr begeistert ist. Um so mehr aber freut sich Kikis Familie, denn Kikis Gesang ist Gold wert. Sie begeistert mit ihrer hellen, klaren Stimme ein großes Publikum. Tourneen in der ganzen Welt stehen bevor. Besonders die Mutter, schwelgt in dem neuen Luxus der "Welt der Reichen".

Doch der plötzliche Erfolg hat einen bitteren Beigeschmack. Denn Kiki muß schließlich bei Laune gehalten werden, da sie sonst nicht singt. Jeden Morgen müssen alle mit bunten Papiermützen auf dem Kopf antreten, um mit Kindertrompeten, Mundharmoniken und quietschenden Gummipuppen durch das Esszimmer zu hüpfen. Die wunderbare Welt des Erfolgs hat seinen Preis: die geordnete Erwachsenenwelt muß sich den Launen eines Kindes beugen. Der Traum von Ruhm und Reichtum wird zum Albtraum, der nicht enden will. Doch dann wird die Opernsängerin sehr krank und Kiki weigert sich, anderen nachzusingen. Wie lange wird Kikis Kariere noch andauern?

Mit Witz, Charme und einer präzisen Beobachtungsgabe entlarvt Fülöp-Miller den Alltag der Kleinbürger und zeigt deren Unbeholfenheit ihre neuen, ungewohnten Aufgaben zu bewältigen. Die unterschiedlichen Verhaltensweisen dieser Personen und ihr Umgang mit dem Unvorhersehbaren rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das Erwachsenwerden des vierzehnjährigen Kindermädchens wird dabei genauso thematisiert wie die Hilflosigkeit des Vaters im Umgang mit einem Wunderkind oder die Skrupellosigkeit eines Geschäftsmannes.

"Katzenmusik" ist die Geschichte von der scheinbaren Erfüllung eines Traums, eine Geschichte über eine Familie aus ärmlichen Verhältnissen, die alles daran setzt, ihren plötzlichen Erfolg zu wahren. Es ist eine Geschichte aus dem Alltag der "kleinen Leute", der durch den Einbruch eines unerwarteten Glücks völlig aus den Fugen gerät.

René Fülöp-Miller: Katzenmusik.

Hrsg. und mit einem biographischen Nachwort versehen von Rolf Bulang.

Weidle Verlag, Köln 1998.

250 Seiten, 38 DM.

ISBN 3-931135-35-7

(c) bei der Autorin / literaturkritik.de

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Titelbild

Rene Fülöp-Miller: Katzenmusik. Herausgegeben mit einem biographischen Nachwort von Rolf Bulang.
Weidle Verlag, Bonn 1998.
196 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3931135357

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