Substantive in der Paarungszeit

Klaus Ferentschiks Doppelroman "Schwelle und Schwall"

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Frau und Mannsperson sind, zumal in der so genannten Postmoderne, unvereinbar und doch austauschbar. Und die Literatur schweigt auch nicht länger, sondern bringt teils enervierende literarische Dummheiten hervor - man denke an die Welle der "Superweiber"-Prosa - oder stottert sich geschlechtergerecht durch affikale Substantiv-Waldungen.

Dagegen kann man/frau etwas unternehmen. Klaus Ferentschik, der seit geraumer Zeit für die "Werkstatt für potentielle Literatur" arbeitet, hat eine Prosa gewagt, die eben jene Problematik ebenso elegant wie augenzwinkernd umgeht: die erste Abteilung erzählt aus der Perspektive einer Frau und verwendet dabei ausschließlich weiblich beartikelte Bezeichnungen. Die zweite Abteilung widmet sich konsequent der bipolaren Seite und ist männlich dominiert.

Die schwarz gekleidete Kampflesbe tritt an die Seite der freien Journalistin, die, frustriert von der fiesen maskulinen Führungskraft, ihr Glück in Kontaktanzeigen sucht.

So durchsetzt Ferentschik den ersten, femininen Teil seines Wälzers mit gesellschaftskritischen Gemeinplätzen. Der Handlungsverlauf präsentiert sich als vielschichtiger literarischer Spott: so wenig, wie Ferentschik den Geschlechterkampf ernst nimmt, so parodistisch durchstreift er sämtliche Typen des literarischen Geschmackes, sei er nun trivial oder elitär.

Auch aus dem antipodischen Blickwinkel berichtet ein Einsamer: der Sportlehrer und Hobbyterrorist, der zum Gegenstand des weiblichen Liebeswunsches wird. Bei ihm aber werden die Stilfaktoren des Textes ausgeleuchtet. Der Sportlehrer entpuppt sich als Krimiautor, dessen Typen sich verselbständigen und Teil seines Krimis werden. Indem der Krimiautor seinen Roman fortschreibt, greift er in den Lebensweg der ihn bedrohenden Menschen ein. Ferentschik hält dem Leser somit einen Spiegel vor, der den Doppelroman als Flirt mit den literarischen Wunschträumen entlarvt.

Dabei bleibt das Werk immer angenehm lesbar und sperrt sich kaum gegen ein 'normales' Leseereignis. Mitunter führen die umschreibenden Bilder zu komischen Verhältnissen, die das Vokabular aus dem literarischen Alltagsleben herausheben und auf sein Charakteristikum verweisen. So mutiert das Telefon zu einer "Apparatur, die zweifellos dazu diente, nahe oder fremde Personen mittels einer Wählscheibe und einer Strippe zu erreichen."

Hier wird aber auch das Versäumnis des modernen Doppelmärchens sichtbar: das Gegensätzliche von männlich und weiblich führt für Ferentschik nicht zwangsläufig zum Vereinigenden des sächlichen Neutrums. Allerdings: er arbeitet an einem neuen Projekt. Ob er darin ein Auflösen des Gegensätzlichen schafft, bleibt abzuwarten. Sicher ist: das Missverstehen im (post-)modernen Universum wird er nicht auflösen, ER und SIE bleiben unvereinbar und doch zusammen. Getreu dem Motto des Collège de Pataphysik, dem auch Ferentschik angehört: "Nur die Pataphysik unternimmt nichts, um die Welt zu retten."

Titelbild

Klaus Ferentschik: Schwelle und Schwall. Doppelroman.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 2000.
174 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3251004859

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