Unfassbar für sie selbst

Das Leben der Erfolgsschriftstellerin Hedwig Courths-Mahler

Von Julia RauRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Rau

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sicherlich wird mancher bei Erwähnung des Namens Hedwig Courths-Mahler die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Sie ist keine, deren Werke man in der Literatur für unverzichtbar hält. Trotzdem wurden und werden ihre Bücher von weit mehr Lesern frequentiert als die Werke vieler anderer Autoren. Vielleicht hat sich Andreas Graf deshalb der Biografie dieser Schriftstellerin gewidmet, die über sich und ihren Beruf sagte: "Ich lehre die Leute erst lesen; wenn sie das gelesen haben, was ich schreibe, wagen sie sich an ein besseres Buch, an literarische Sachen. Es gibt so viel Literatur und so wenig Leute die fürs Volk schreiben, gäbe es mehr, hätte ich selbst nicht so großen Erfolg."

Hedwig Courths-Mahler, geboren 1867, wuchs in schwierigen Familienverhältnissen auf. Erst in ihrer Jugend lernte sie in ihrer Pflegefamilie Liebe und Geborgenheit kennen. Die Erfahrungen dieser Zeit prägen ihre zahlreichen Romane. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die junge Frau zu einer erfolgreichen und bekannten Schriftstellerin. Sie schrieb Fortsetzungsromane für diverse Zeitungen, später Bücher. Ihre Werke wurden verfilmt und als dramatische Bearbeitungen aufgeführt. Sie trafen den Geschmack eines großen Publikums, sie wahrten die Illusion einer perfekten und glücklichen Gesellschaft, in der sich Probleme quasi in Luft auflösen und jeder Verwicklung ein Happy End folgen kann. Courths-Mahler gab vielen Lesern das, was diese selbst in ihrem Leben nicht erreicht hatten oder nicht erreichen konnten.

Grafs Biografie vermittelt das Bild einer selbständigen, selbstbewussten Frau. Der Leser wird zunächst mit viel Hintergrundwissen über ihre Familie an die eigentliche Person herangeführt. Dadurch ist ihre eigene Geschichte viel leichter nachvollziehbar. Man lernt zu verstehen, warum sie regelrecht versessen darauf war, heile Welten zu erschaffen.

Trotzdem wirkt der Verfasser mit seiner Detailkenntnis gelegentlich etwas übereifrig. Zwischenzeitlich zählt er alle Wohnorte der Autorin auf, doch anstatt es bei der Ortsnennung bewenden zu lassen, erfährt der Leser zusätzlich noch Straßennamen und Hausnummern von damals und heute. Das ist zwar gut recherchiert, wird denjenigen aber, der keine Pilgerfahrt zu Courths-Mahlers Wirkungstätten unternehmen möchte, kaum interessieren.

Graf geht dabei nicht streng chronologisch vor, was das Lesen abwechslungsreicher macht. Zahlreiche Portraitfotos von Courths-Mahler und ihrer Familie, Ausschnitte aus Romanen und Erzählungen, sowie Zitate verschiedener Personen bereichern dieses Buch.

Man kann sich über die Bedeutung dieser Schriftstellerin streiten. Der eine wird ihre Geschichten mögen, der andere als "billigen Schund" ablehnen. Für die anderen bleibt festzuhalten: Dieses Buch ist empfehlenswert, wenn man sich vorurteilsfrei an die Lebensgeschichte einer in ihrer Zeit erfolgreichen Frau wagen möchte.

Titelbild

Andreas Graf: Hedwig Courths-Mahler.
Herausgegeben von Martin Sulzer-Reichel.
dtv Verlag, München 2000.
159 Seiten, 9,50 EUR.
ISBN-10: 3423310359

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