Viel, doch nicht genug

62 deutschsprachige Schriftstellerinnen auf CD-ROM

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Deutsche Literatur von Frauen. Von Catharina von Greiffenberg bis Franziska von Reventlow" - der Titel der 45. Ausgabe der Digitalen Bibliothek stimmt skeptisch. Startet man die CD-ROM jedoch ist man schnell beruhigt, denn dort heißt es richtig Franziska zu Reventlow. Natürlich besitzt auch diese CD-ROM die bekannten Qualitäten der inzwischen längst renommierten Reihe: wie etwa die hohe Suchgeschwindigkeit, vielfältige und komfortable Suchmöglichkeiten, drucken, exportieren, wortgetreue Seitenkonkordanzen zu gedruckten Ausgaben. Außerdem bietet sie Biographien und in der Regel Porträts der Autorinnen. Die tabellarisch gehaltenen Biographien erweisen sich - Stichproben zufolge - als verlässlich, sind allerdings gelegentlich allzu knapp geraten, wie etwa im Falle Hedwig Dohms.

Auf etwa 78.000 Seiten sind etliche der wichtigsten poetischen und essayistischen Arbeiten von 62 Literatinnen vom 17. bis zum angehenden 20. Jahrhundert verfügbar. Unter den Schriftstellerinnen finden sich die klangvollen Namen von Luise Adelheid Victoria Gottsched, Marie von Ebner-Eschenbach und Fanny Lewald. Doch die überwiegende Mehrzahl der Autorinnen dürfte über einen kleinen Kreis von SpezialistInnen hinaus weitgehend unbeachtet geblieben sein, was bei dem bekanntermaßen männlich ausgerichteten Kanon kaum anders sein kann, in den, wie der Herausgeber Mark Lehmstedt bemerkt, "nur eine verschwindend geringe Zahl von Frauen" Aufnahme gefunden hat. Die vorliegende CD-ROM versteht sich als "Ergänzung und Fortführung" der ebenfalls im Rahmen der "Digitalen Bibliothek" erschienenen Ausgabe "Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka". Dass der Anteil der Frauen, die auf den nunmehr insgesamt über 250.000 Seiten mit einem Drittel vertreten sind, "zumindest in quantitativer Hinsicht überproportional zu ihren Gunsten verschoben" worden sei, nimmt der Herausgeber angesichts ihrer über die Jahrhunderte andauernde Marginalisierung "billigend in Kauf". Zugleich erklärt er sein Verständnis dafür, dass manche Expertin und mancher Experte dennoch eine bestimmte Autorin oder einen bestimmten Text vermissen dürfte und bittet seinerseits um Verständnis für die - notwendig - subjektive Auswahl der Texte, hätte doch die Anzahl der aufgenommenen Autorinnen und Werke "mühelos verzehnfacht" werden können. Die Auswahl soll hier denn auch nicht moniert werden. Dennoch: das 'Ungleichgewicht' hätte gerne noch weiter zu Gunsten der Frauen verschoben und die nur zur Hälfte genutzte Speicher-Kapazität der CD-ROM voll ausgelastet werden dürfen. So wäre dem Herausgeber sicher in vielen Fällen die Qual der Wahl und den ExpertInnen die eine oder andere vergebliche Suche erspart geblieben.


Titelbild

Mark Lehmstedt (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. Von Catharina von Greiffenberg bis Franziska von Reventlow.
Directmedia Publishing, Berlin 2001.
1 CD-ROM, 50,60 EUR.
ISBN-10: 3898531457

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