Schreiben im Park

Edda Ziegler präsentiert neue Sichtweisen auf Münchner Schriftstellerinnen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sie schrieben in Treppenhäusern und auf Parkbänken, in Hinterhöfen und auf dem berühmten Küchentisch sowieso - nur schrieben sie kaum mal an einem Schreibtisch, gar in einem Zimmer für sich allein. Darin unterschieden sich die Münchner Schriftstellerinnen zwischen 1860 und 1960 nicht von ihren Kolleginnen in anderen Landesteilen.

Einige von ihnen haben dennoch einen gewissen bis heute anhaltenden Ruhm beziehungsweise Nachruhm erlangt, wie etwa Ricarda Huch, Emmy Hennings oder Marieluise Fleißer und vielleicht auch Lena Christ. Andere, die weitaus meisten, waren und sind nach wie vor weithin unbekannt - oft genug zu Unrecht, wie etwa Emerenz Meier, Regina Ullmann oder Oda Schaefer.

Unter dem Titel "Der Traum von Schreiben" hat Edda Ziegler unlängst eine Aufsatzsammlung über "Schriftstellerinnen in München" herausgegeben, über bekannte, weniger bekannte und unbekannte. Die durchweg innovativen Beiträge greifen wiederholt auf ungedruckte Quellen in oftmals verstreuten Nachlässen zurück, die wie die Herausgeberin betont, "hier erstmals ausgewertet werden", um mit Hilfe dieses "bisher unbekannten Materials" bestimmte Aspekte der "Lebensentwürfe und Schreibprax[en]" der Autorinnen unter genderspezifischer Perspektive zu sichten und neu zu interpretieren.

Als besonders aufschlussreich erweist sich hierbei der Nachlass Peter Jerusalems, dem Lena Christ, die "stärkste literarische Begabung Altbayerns" in zweiter Ehe verbunden war. War es ihm zeitlebens gelungen, sich als deren Entdecker und Protege zu präsentieren, als der er bis heute noch gilt, so erscheint er nun dank der Forschungen Asta Scheibs in ganz anderem, wenig schmeichelhaftem Licht. Tatsächlich nämlich wurde die Autorin - darin Leidensgefährtin vieler ihrer schreibenden Geschlechtsgenossinnen - von ihrem Mann, dem sie sich bedingungslos unterworfen hatte, ihr Leben lang nicht nur persönlich gedemütigt, sondern auch literarisch und materiell ausgebeutet, bis er schließlich 1920 das für ihn äußerst günstige Testament (vermutlich) mitverfasste und ihr das Gift zum Suizid reichte. Von ihrem Tode an lebte er als Nachlassverwalter fast ausschließlich davon, Christs literarisches Schaffen zu vermarkten.

Titelbild

Edda Ziegler (Hg.): Der Traum vom Schreiben. Schriftstellerinnen in München 1860 bis 1960.
Athe, München 2000.
160 Seiten, 13,30 EUR.
ISBN-10: 3927743542

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