Verlorenes Paradies

Der Roman "Äolische Erde" von Ilias Venesis als Taschenbuch

Von Evangelia KaramountzouRSS-Newsfeed neuer Artikel von Evangelia Karamountzou

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zusammen mit seinen Schwestern Artemis, Agapi und Lena wächst der kleine Petros auf dem Gutshof seines Großvaters in Äolien auf. Äolien ist der Küstenstreifen im Westen der Türkei, gegenüber der griechischen Insel Lesvos. Venesis schildert in allen Einzelheiten die glückliche Kindheit in einer intakten Gesellschaft inmitten einer paradiesischen Landschaft, dem innigen Bund der Großfamilie mit den Verwandten und den Freunden, die Liebe - vor allem auch zur Natur.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs setzte die Christenverfolgung in der Türkei ein, und 1922 mussten nach dem griechisch-türkischen Krieg Millionen von Griechen Kleinasien verlassen, wo sie seit alters her lebten. Das ist der historische Hintergrund des 1943 erschienenen Romans "Äolische Erde", Hauptwerk des 1903 geborenen und 1973 gestorbenen Ilias Venesis. Es ist ein Buch der Kindheitserinnerungen und der Trauer um das verlorene Vaterland.

Dass die Perspektive des jungen Protagonisten immer wieder durch Schilderungen von Ereignissen, die außerhalb seines Horizontes liegen, transzendiert wird, mag ein wenig plausibler erzähltechnischer Fehler sein. Aber die Fähigkeit des Autors, den Leser durch ein Geflecht von Lebensgeschichten, Märchen, Mythen und Sagen in einen traumartigen Zustand zu versetzen, hat das Buch zu einem kanonischen Text der neugriechischen Literatur des 20. Jahrhunderts gemacht. In der seit 1949 bewährten Übersetzung von Roland Hampel, die diese neue Taschenbuchausgabe übernimmt, übt es auch auf den deutschen Leser eine zauberhafte Wirkung aus.

Titelbild

Ilias Venesis: Äolische Erde. Roman.
Übersetzt aus dem Griechischen von Roland Hampe.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
314 Seiten, 11,20 EUR.
ISBN-10: 345834439X

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