Mondschein auf triefenden Lefzen

Kiana Davenport verspricht mit dem Thema ihres Romans "Gesang der verlorenen Frauen" viel, hält jedoch nichts

Von Anette MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anette Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Lebenslange Liebe, durch Kriegswirren und Gefangenschaft behindert, ist das Thema des Romans. Keo, ein begabter Jazz-Trompeter, und Sunny, eine wilde Schönheit hawaiianisch-koreanischer Abstammung, treffen sich in den späten 30er Jahren in Honolulu und verlieben sich - Überraschung - ineinander. Als Keo mit einer Jazzband aus New Orleans ein Engagement in Paris erhält, folgt Sunny ihm nach Europa. Zusammen erleben sie trotz des bereits tobenden Zweiten Weltkriegs eine Zeit unbeschwerten Glücks bis Sunny sich entschließt, sich auf die Suche nach ihrer behinderten Halbschwester Lili zu machen, die sie nie traf und die in dem von Japanern besetzten Shanghai lebt. Widerwillig lässt Keo sie vorerst ziehen, nicht ahnend, dass der Zweite Weltkrieg die beiden für lange Zeit trennen wird und dass Sunny ein Kind von ihm erwartet.

Drei Jahre später findet sich Sunny in einem japanischen Gefangenenlager wieder - Schwester und Kind sind inzwischen gestorben -, wo sie als sogenannte Trostfrau missbraucht wird. Um sich und ihre Mitgefangenen abzulenken, erzählt Sunny die Geschichte ihrer Liebe zu Keo.

Kiana Davenport hat sich mit "Gesang der verlorenen Frauen" eines ernsten und wichtigen Themas angenommen, gibt sie doch Tausenden von Frauen, die in japanischen Lagern als Sexsklavinnen benutzt und getötet wurden, eine Stimme. Leider gelingt es der Autorin nicht, ihrem Thema gerecht zu werden - stattdessen driftet der Roman allzu schnell ins Triviale und Vorhersehbare ab. Davenport hätte sich und diesem historischen Stoff einen Gefallen getan, hätte sie den Roman nicht so hoffnungslos mit Klischees und unendlichen Details überladen und eine straffere, sachlichere Sprache gefunden. Sätze wie "Die Musik floß in solchen Strömen aus ihm hervor, dass er Nasenbluten bekam" lassen sich an Lächerlichkeit kaum übertreffen. Keo und Sunny laufen einander ein ganzes Leben lang nach, ohne zueinander zu kommen - erst am Ende ihres Lebens trifft Sunny auf Keo, der sie jedoch nicht mehr erkennt.

Über 470 Seiten kommt es zu Beinahe-Begegnungen, es wird hektisch nacheinander gesucht und ganze Städte werden durchkämmt, bis der Leser selbst ganz müde ist von soviel Ereignislosigkeit. Während Davenport die nicht sehr lange währende Liebesbeziehung zwischen Keo und Sunny auswalzt, kommt das eigentliche Thema der Gefangenschaft zu kurz. Vielleicht war Davenports Ehrgeiz, in ihrem Roman die Geschichte und Kultur Hawaiis mit der Weltgeschichte und einer Liebesgeschichte zu verbinden, zu groß.

Titelbild

Kiana Davenport: Gesang der verlorenen Frauen. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Seeberger.
dtv Verlag, München 2001.
480 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 3423242485

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch