Hier ist die Energie

Stephan Maus steht in "Alles Mafia!" unter Strom

Von Saskia SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Saskia Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Stephan Maus' "Alles Mafia!" zu lesen, ist wie in eine Steckdose zu greifen. Die Spannung seiner Sprache zuckt im Gehirn: schnell pulsieren die Bilder, schnell lädt sich der Text auf. Zwischen der Frage "Hast du mal Feuer?" und der Antwort "Ich rauche nicht!" kann ein schlichter Zeilenumbruch stehen - oder eine ganze Geschichte, 133 Textseiten, in Klammern gesetzt. Ein Feuerzeug klickt, und schon sind die Herzen entflammt: Die Erzählerin Nina trifft auf den vietnamesischen Zigarettendealer Thanh und erliegt seiner "Tet-Offensive des Lächelns". Es folgen Ekstasen, die von Ekstasen mit dem gefährlichen Nin?Ja! abgelöst werden. Leider verwischt die ohnehin dürftige Handlung vor lauter Bildorgien und Vergleichsexzessen, und statt dem weichen Thanh ist dann der harte Nin?Ja! in und um Nina. Ansonsten ändert sich nicht viel, denn Maus erzeugt nicht Wechsel-, sondern Gleichstrom: Die Frequenz der Worte ist zwar enorm hoch - Slogans, Zitate, Fremdwörter, Anglizismen, Floskeln, Straßen-Slang, Fernsehdeutsch -, doch das Tempo bleibt gleich, die sprachliche Spannung baut sich nicht auf, sondern ist immer gleichbleibend da. Keine Nuancen, keine Ruhephasen, dafür aber (vor allem körperliche) Beziehung, absatzweise dargestellt. Bald wird das Erzählte recht sexlastig und bisweilen zotig; umso mehr wirkt die Erzählerin wie ein (Fernseh-)Kind ihrer Zeit.

Der sprachlich stark überreizte Text hat einen großen Effekt: Großstadt und Liebesrausch werden hart aneinandergeschnitten - nervös, atemlos, sinnlich. Der in Berlin lebende Autor schreibt wie jemand, der kokst und dabei Musikvideos anschaut. Und damit ist er gegenwartsnah und dicht an einer Generation, die sich selbst schon fast als virtuell wahrnimmt: "Ich pflanzte mir zwei Zigarettenfilter in die Ohren, setzte mich ins Depot und rauchte Kette. Beugte mich über meinen Nabel, sprach in mich hinein und lauschte dem Rückkoppelungseffekt. Ich schliff die Schneide meines Geistes, bis mein Hirn wie Butter rechts und links die Klinge herunterglitt."

Sind nach 144 Seiten "Gangsta-Rhapsodie" sämtliche Nervenenden noch nicht völlig abgestumpft, so kann man die verkrampften Finger vom Buch lösen und hoffen, dass man sie sich nicht daran verbrannt hat.

Titelbild

Stephan Maus: Alles Mafia! Eine Gangster-Rhapsodie. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000.
144 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3871344192

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch