Das Leben danach

Andreas Mand schreibt in seiner Erzählung "Vaterkind" über Verlust

Von Kristina KlappertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kristina Klappert

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich dachte, daß es mein erstes gutes Lied war, das nicht über meine große, unglückliche Liebe ging. Und dann, daß es genaugenommen auch um eine unglückliche Liebe ging. Ich saß in seinem Auto, nicht weit vom Kurmittelhaus, Bad Irgendwo im Rothaargebirge, und hörte das Lied, das die Situation, in der er war - und ich mit ihm - in großer Genauigkeit beschrieb. Ich hatte es nur schreiben können, weil er nichts davon wußte. Ich konnte es nur hören, weil er nicht dabei war. Es gab mir Kraft und Identität. Ich konnte zu ihm zurückkehren und ihn unterstützen. Ich konnte, wenn er mich brauchte, sein Sohn sein."

Paul Schade, ein Musiker mit mäßigen Erfolg, bemerkt, dass sein bisheriges Leben ein Ende genommen hat. Plötzlich nehmen nicht mehr die Proben mit seiner Band und ihre Auftritte den größten Platz in seinem Leben ein, sondern zwei folgenreiche Ereignisse. Das eine ist das langsame Sterben seines Vaters - und das andere die Geburt und Betreuung seiner kleinen Tochter Lu. Der Berufsjugendliche wird in ein neues Leben gestoßen, das so gar nicht seinen Vorstellungen entspricht. Muss er sich doch jetzt mit Kinderbetreuung, Tod und Nachlassregelungen auseinandersetzen, die ihn zunehmend aus seinem Künstlertum herausreißen, denn kein Künstler kann sich mit solchen Alltagsproblemen herumschlagen und dennoch Künstler bleiben.

Um auf jeden Fall anders als seine Eltern zu sein, ist er als Jugendlicher auch mal von zu Hause abgehauen (nicht sonderlich weit und eigentlich auch grundlos, weil sein Vater niemand war, gegen den man aufbegehren musste), versuchte einfach ein wenig rebellisch zu sein, weil er glaubte, rebellisch sein zu müssen, gerade als Pastorensohn. Nun muss er feststellen, dass er seinem Vater immer ähnlicher geworden ist, äußerlich wie auch innerlich.

Trotz seiner zahlreichen Veröffentlichungen wird der Autor Andreas Mand, 1959 in Duisburg geboren, bisher eher als Geheimtipp gehandelt und ist zu einem Chronisten seiner Generation geworden. Das ist die Generation, die die 68er-Revolte nicht mehr richtig miterlebt oder mitgestaltet hat, weil sie zu jung war. Infolgedessen zeichnet er in "Vaterkind" das Bild einer neuen Vätergeneration, die ihren Kindern näher ist, vermutlich deshalb, weil die Mitglieder dieser Generation selbst lange und intensiv Kinder geblieben sind.

In persönlicher Weise lässt Paul Schade all die Erinnerungen an seinen Vater aufleben, findet verstaubte Gegenstände, die die Geschichte seines Vaters erzählen aber auch seine eigene. In der Erinnerung wird Paul klar, dass sein Vater in manchen Dingen andere Einstellungen hatte als er. Der Vater hat die Betreuung der Kinder seiner Frau überlassen, so war die Sichtweise der älteren Generation. Paul dagegen ist für die Betreuung seiner Tochter zuständig. Teilweise fühlt er sich damit überfordert, auch in der Beziehung zu seiner Frau, die das Geld verdient und klar die führende Rolle übernommen hat. "Die anstrengende Zeit mit den kleinen Kindern sei die schönste im Leben. Der Vater hat es der Mutter gesagt. Und sie sagt es mir, tröstend oder hämisch, oder beides abwechselnd. Ich war nicht zufrieden damit."

In "Vaterkind" werden gleich zwei Brücken geschlagen: eine von Vätern zu ihren Kindern und eine zwischen den Generationen. Diese konfliktreiche Auseinandersetzung ist Andreas Mand mit seinem Roman gut gelungen. Er intendiert keine sachliche Analyse eines Generationskonflikts, sondern erzählt von den kleinen Alltagsdingen, die das Leben seiner Figuren ausmachen.

"Mein bestes Sakko hat 359 Mark gekostet, reduziert, der Aufkleber haftet noch am Plastikbügelhaken. Ist vier Jahre alt und hat mir gut gedient bei öffentlichen Auftritten, Wohnungsbesichtigungen, dem Betriebsfest der Sprachschule und der Beerdigung meines Vaters." Mands Roman besticht durch Glaubwürdigkeit, Tiefe und einen Hauch von Moll - die Tonart, die auch Paul Schade, Mands Protagonist in allen seinen Romanen, als Musiker und Mensch bevorzugt.

Titelbild

Andreas Mand: Vaterkind. Roman.
Residenz Verlag, Salzburg 2001.
256 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 370171262X

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