Kompakt und kompetent

Dr. Wilson schreibt über Miles Davis und hat recht

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es war ein ironischer Abgang, den Miles Davis selbst nicht besser hätte inszenieren können: Zäh zwar, aber gesundheitlich schon immer arg in Mitleidenschaft gezogen, suchte Davis im September 1991, also im Alter von 65 Jahren ein Krankenhaus auf, um sich durchchecken zu lassen. Unangepasst wie er war, legt er sich mit einem der Ärzte an und erleidet daraufhin einen Schlaganfall. Seine Familie beschließt wenige Tage später, alle lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden, und damit ist das Leben des wohl größten Jazztrompeters der Geschichte Geschichte.

Es gibt ein neues, kompaktes Buch zu Davis, vorgelegt von dem "Jazzdoktor" Peter Niklas Wilson, der weniger Wert auf die in Kennerkreisen gerne kolportierten Anekdoten des eigenwilligen Musikers legt, als auf eine übersichtliche Darstellung von Leben, Werk und vor allem der Musik. Interessanter als die durchaus widersprüchliche Biographie des Miles Davis, die Wilson nur in verdichteter Form präsentiert, ist Davis' Arbeitsweise. Der Jazz gilt gemeinhin als die Musikrichtung, die vor allem durch Spontaneität und Improvisation, also durch die Unberechenbarkeit des Augenblicks bestimmt wird. Natürlich war auch Davis ein Meister der Improvisation, aber genauso bedeutsam für seine Musik, daran lässt Wilson keinen Zweifel, war die Post-Produktion. Die Jam-Session, das war eine Sache, was dann aber auf der fertigen CD, wie etwa auf "Kind of Blue" so leichtfertig und selbstverständlich klingt, das war auch das Resultat präziser Nachbereitung - und das gilt eben nicht nur für ausgemachte Kunstprodukte wie "Bitches Brew".

Peter Niklas Wilson weiß, worauf es ihm ankommt. Und glücklicherweise decken sich seine Vorstellungen von einem gelungenen Buch über jemanden, über den schon so viel geschrieben wurde, ziemlich genau mit denen des interessierten Lesers. Es ist ja nicht gerade ein leichtes Unterfangen, ein Buch in die Welt zu setzen, das eingefleischte und wohlinformierte Fans genauso zufrieden stellt wie Neulinge auf dem Gebiet der Jazzliteratur. Gerade das wirklich gut recherchierte und besonnen kompilierte Kapitel zum Schallplattenwerk des Miles Davis, das immerhin knapp die Hälfte des Buchs ausmacht, lohnt den Kauf - schließlich ist die Musik des "Prince of Darkness" fast gänzlich in Form preiswerter "Nice Price"-CDs zu erstehen, so dass sich das Ersparte gut in dieses unterhaltsame Theoretikum investieren lässt. Neben Besetzung und Aufnahmeort enthält die Diskographie bisweilen durchaus kritische und persönliche Kommentare zu Entstehung, Atmosphäre und Bedeutung der Platten. Es mag den ein oder anderen Leser stören, dass Wilson mit kritischen Anmerkungen vor allem zu den "missglückten" Hip-Hop-Experimenten des späten Davis nicht gerade hinterm Berg hält, aber - wo er Recht hat, hat er Recht.

Titelbild

Peter Niklas Wilson: Miles Davis. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten.
Oreos Verlag, Waakirchen 2001.
200 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3923657625

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