Obacht - zwei Dandys unterwegs!

Christian Kracht und Eckhart Nickel anempfehlen "Die angenehmsten Orte der Welt"

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Diese Namen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Joachim Bessing, Benjamin von Stuckrad-Barre, Alexander von Schoenburg-Glauchau, Christian Kracht, Eckhart Nickel. Zusammen bilden diese fünf erlauchten jungen Herren das längst schon wieder aus der Mode gekommene popliterarische Quintett. Sie verblüffen ab und an das Establishment mit humorigen "non-pc"-Texten. Die beiden letztgenannten Dandys, Jahrgang 1966, haben jüngst ihrer Weltläufigkeit ein literarisches Denkmal gesetzt: "Ferien für immer. Die angenehmsten Orte der Welt" heißt das schmale Bändchen mit zahlreichen Kurzempfehlungen für den gelangweilten Postmoderne-Touristen - angefangen bei Oma Rinks Apfelwein-Schänke in Frankfurt, über das Kokser-Paradies Dahab Beach auf der Sinai-Halbinsel bis zu den verblichenen Stätten englischer Kolonialherrlichkeit in Indien.

Natürlich ist der Untertitel ironisch gemeint. Was unsere beiden leicht gelangweilten Puristen suchen, sind die elitären Nobelherbergen des alten Adels, die verklärten Paradiese (unberührt, bitte!) aus alten Reisemythen und die von unseren klassischen Reiseschriftstellern besungenen letzten Winkel dieser Erde. Was sie finden: "blöde, immer einen Lonely-Planet-Reiseführer mit sich herumschleppende Traveller in Fake-Couture vom Stüssy-Shop um die Ecke, siebzehnjährige rastagelockte Rave-Diven aus Neuseeland, homosexuelle, früh gealterte deutsche Fürsten und ihr balinesischer Bubenanhang, berucksackte holländische Ein-Jahres-Aussteiger auf den Spuren ihrer brutalen Urgroßvätergeneration und die fahrenden Händler der künstlichen Paradiese." Igitt! Durchweg werden die besuchten Ort nach der Anwesenheit anderer Touristen und nach der Skurrilität der Hotels, Restaurants und Discos beurteilt: Tourist bedeutet ein dickes Minus, "Alkoholikerparadies" ein feines Plus.

Die Tour du Monde ist nonchalant dargeboten, in einem saloppen Schnodder-Ton mit Ekel-Faktor. Da wird gekokst, gesoffen, gereihert und so weiter. Das Vokabular gut-bürgerlicher Reiseführer veralbern die beiden Autoren ungeniert, sogar mit Genuss. Wie überhaupt Genuss, Stilbewusstsein und Geheimniskrämerei ganz groß geschrieben werden, einfach um den reisenden Insider vom uneingeweihten Touristen zu scheiden. Die Tourismus-Schelte aus der Ecke des Elitären ist leider wenig originell, weil schon mindestens 150 Jahre alt. Aber das wissen die beiden "ambitionierten Authentiker" selbst am besten. Sie verweisen auf Klassiker der englischen Reiseliteratur wie Wilfried Thesiger, Lawrence Durrell und Evelyn Waugh - alles Männer, alle äußerst unzufrieden mit der Welt, in der sie lebten, und immer auf der Suche nach dem besseren, tourismusfreien Urlaubsort.

Manchmal wird die bewusste Selbststilisierung unserer beiden fahrenden Snobs unerträglich. Aber vielleicht steckt in Passagen wie der folgenden doch ein bisschen Selbstironie? "Man macht sich übrigens - wir haben es ausprobiert - bei der Besitzerin der Drei Buchteln [ein Lokal in Wien] am beliebtesten, wenn man mit einer bordeauxroten Langhaarperücke auf dem Kopf das Lokal betritt." Aber letztlich kann man Kracht und Nickel aus der gewollt oberflächlichen Darbietung ihrer minimalen Reiseerfahrungen keinen Vorwurf machen. Denn genauso gestaltet sich das Reisen heutzutage, wenn man die angeblich goldene Vergangenheit des Reisens im Kopf und den Lonely-Planet-Reiseführer im Gepäck hat.

Titelbild

Christian Kracht / Eckhart Nickel: Ferien für immer. Die angenehmsten Orte der Welt.
dtv Verlag, München 2001.
208 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-10: 342312881X

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