Hardcore im Festspielhaus

Ein Bildband mit Gedichten von Philipp Schiemann

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich hatte ich mich auf dieses Buch gefreut. Als ich es zum ersten Mal in der Hand hielt und die tolle Aufmachung mit den großformatigen Schwarz-Weiß-Photographien sah, rang mir das schon einiges an Bewunderung für den kleinen, umtriebigen Killroy Media Verlag ab.

Philipp Schiemann, Jahrgang 1969, Social-Beat-Großmaul und Hardcore-Schauspieler, sollte - nach diversen Veröffentlichungen im Eigenverlag und etlichen Auftritten bei Lesungen und Konzerten - endlich einmal eine angemessene Bühne für seine Gedichte erhalten. Leider jedoch: Die Gedichte sind der viel zu großen Bühne nicht gewachsen.

Es sind die alten Social-Beat-Themen, deren sich Schiemann ein weiteres Mal annimmt: Drogen, Frauen, Pferderennen und das Außen-vor-Sein. Und genau das ist auch schon das Problem dieser Gedichte: Es findet sich absolut nichts Neues in Schiemanns Aussagen, nichts, was sie als notwendige Aussagen auch nur ansatzweise legitimiert. Mag sein, dass auch eine literarische Kraftmaschine wie Philipp Schiemann einsehen muss, dass es eben zur Zeit nicht viel Neues zu sagen gibt. Aber dennoch muss er sich die Frage gefallen lassen, warum er mit seinem literarischen Horizont nie über sein eigenes Leben hinausschaut, große Teile von dem, was Welt ist, einfach ausblendet und sich stattdessen ein weiteres Mal larmoyant im eigenen Selbstmitleid suhlt: "und in der psychiatrischen Tagesklinik / fragen sie mich / 'Warum sind Sie hier?' / und ich antworte / 'Weil ich mit meiner jetzigen Art zu leben & zu fühlen / die Distanz bis zu meinem Tod nicht bewältigen kann' / Es ist ein gottverdammter Jammer".

Wahr ist das. Aber musste es noch mal gesagt werden? Sicherlich gibt es einige gute Stellen in diesem Buch, etwa "Ich und die Sixties", wo mit der Verklärung der Beat-Generation aufgeräumt wird: "Ich sag dir was: / Die würden schreiend weglaufen / und zwar / ohne Worte".

Aber es überwiegt doch der Eindruck, dass die meisten Gedichte dem Rahmen, der für sie geschaffen wurde, nicht gerecht werden und aufgrund ihrer Flachheit oft fehl platziert wirken. Wer hat eigentlich mal irgendwann die Vorgabe aufgestellt, von Wahrheit zu reden hieße, ständig vom Ficken zu reden? Schiemann jedenfalls scheint diese Fehleinschätzung noch nicht wirklich überwinden zu wollen. Obwohl er es könnte.

Schade. Es hätte so schön sein können, endlich mal ein 'ehrliches' Buch von Schiemann. Gute Bilder jedenfalls, tolles Format, viel Platz gelassen für alles. Fotos von Lesungen, Auftritten, in Kneipen, verratzten Hinterzimmern, Portraits vom Autor, Großaufnahmen von seinen Tattoos, Schiemann nackt auf einem Baum, mit weichen Kontrasten. Und doch: Irgendwie hätte es den Gedichten besser getan, sie in einem kleinen, schmierigen, schlecht kopierten Heftchen zu lesen. Das wäre ihr Umfeld gewesen, da hätten sie kicken können. Nur so ein Gefühl.

Titelbild

Philipp Schiemann: Gedichte.
Killroy Media, Asperg 2001.
68 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 3931140334

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