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Ira Nadels gelungene Einführung in Leben und Werk von Leonard Cohen

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit einer Verspätung von sechs Jahren erschien nun im österreichischen Hannibal Verlag das biographische Portrait "Leonard Cohen. Ein Leben für die Poesie" des Literaturkritikers Ira B. Nadel endlich in deutscher Sprache. Bereits 1994 erschien das Werk in Kanada, leider wurde für die vorliegende Ausgabe der - ansonsten hervorragende - Anhang nicht konsequent auf den neuesten Stand gebracht, die Zeittafel sowie die ausführliche Bibliographie enden im Jahr 1993, die detaillierte Diskographie verzeichnet dagegen auch noch die im Jahre 1997 erschienene CD "More Best of Leonard Cohen".

Unbeschadet dieser Tatsache ist das Buch, das sich vornehmlich mit der Lyrik und den Songs des Kanadiers beschäftigt, in jeder Hinsicht lesenswert, anhand zahlreicher Beispiele aus dem Werk Cohens führt Nadel den Leser in dessen Kunst ein.

Cohen, der sich dem Mainstream immer noch standhaft verweigert, ist nicht nur als Sänger und Songwriter erfolgreich, sondern profilierte sich mit seinen lyrischen Werken "Let Us Compare Mythologies", "The Spice-Box of Earth" und "Flowers for Hitler" sowie den Romanen "The Favorite Game" und "Beautiful Losers", die mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet wurden, auch als ernstzunehmender Autor. Er pendelt permanent "zwischen Abgrund und Auferstehung", und immer wieder stand seiner Kunst eine "Liebe im Weg". Die Liebe, ihr Verlust, und in späteren Jahren der Zerfall der Gesellschaft sind auch die beherrschenden Themen in Cohens Œuvre, wie Nadel darlegt. Hinzu kommt eine nicht selten schneidende Selbstironie, wenn Cohen seine jüdischen Wurzeln - er stammt aus einer Familie, die zu den Gründern der jüdischen Gemeinde Montreals gehörte - oder auch seine Qualität als Sänger zur Sprache bringt: "I was born like this, I had no choice / I was born with the gift of a golden voice" ("The Tower of Song", 1988).

Nach ersten Erfolgen als Autor wandte sich Cohen im Alter von 34 Jahren der Musik zu, 1968 erschien seine erste Platte, "The Songs of Leonard Cohen", sie beschäftigt sich "mit sehr persönlichen Themen" und seinen Beziehungen zu Frauen. Cohen beschreibt in den Songs seine Liebe zu der verheirateten Marianne Jenssen und ihr Auseinanderleben: "You know I love to live with you, / But you make me forget so very much / I forget to pray for the angel / and then the angels forget to pray for us." In den siebziger Jahren herrschten eher depressive und von Angstgefühlen geprägte Töne vor, wie etwa auf der Platte "Songs of Love and Hate" (1971); diese Zeit seines Lebens war von Drogen, Verlust und Einsamkeit bestimmt, er wurde als "Barde der Einzimmerappartements" verspottet, seine Musik wurde, so Nadel, "als Musik zum Pulsadernaufschneiden" abqualifiziert. Seine Hinwendung zur Musik in jenen Jahren rettete aber auch seine "schöpferische Existenz". Sie gipfelte in den herausragenden Alben "I´m Your Man" (1988) und "The Future" (1992). "Musik war zu dem Medium geworden, das Cohen nicht nur groß herausbrachte, sondern ihm auch eine größere und vielfältigere Anhängerschaft bescherte, als Literatur allein es vermocht hätte." Literarisch war er aber nicht untätig, es erschienen die Lyrikbände "Energy Of Slaves" (1972) und "Book Of Mercy" (1984). Während er in "Energy Of Slaves" seinen Selbsthass und seine Verzweiflung thematisiert, dominieren in "Book Of Mercy" eher positive und hoffnungsvolle Töne. Auch in persönlicher Hinsicht zeigt sich nach seiner Hinwendung zum Zen-Buddhismus - ohne jedoch seine jüdischen Wurzeln aufzugeben - eine Wendung ins Positive. In musikaler Hinsicht zeigte sich seine "persönliche Erneuerung" in seinen Alben "Recent Songs" (1979) und "Various Positions" (1985), Letzteres mit dem Stück "Dance Me To The End Of Love", das das Bild einer "machtvollen Liebe zeichnet".

In den neunziger Jahren zeigt sich ein gereifter, ruhiger Leonard Cohen in der Beschäftigung mit den Zuständen der Gesellschaft, mit der Kritik an der Zivilisation: "They sentenced me to twenty years of boredom / for change the system from within / I´m coming now, I´m coming to reward them. / First we take Manhattan, then we take Berlin" ("First we take Manhattan", 1988) oder mit einem düsteren, pessimistischen Blick in die Zukunft: "I´ve seen the future, brother: / it is murder. [...] I´ve seen the nations rise and fall / I´ve heard their stories, heard them all / but love´s the only engine of survival" ("The Future", 1992). Die Achtziger und Neunziger bringen Cohen auch einen ungeahnten Popularitätsschub und den lange versagt gebliebenen kommerziellen Erfolg, zuletzt veröffentlichte er "Field Commander Cohen. Tour of 1979" (2000) und "Ten New Songs" (2001).

Ira B. Nadel begleitet die Stationen im Leben des Kanadiers anschaulich und klug, er tritt nur selten, dafür aber sehr profund, als Kommentator in Erscheinung. Er schreibt nicht als unkritischer Fan, der von der Person Cohens "sofort fasziniert" war, sondern scheut sich nicht, die Karriere kritisch zu beleuchten. 1997 erschien in Kanada eine weitere Cohen-Biographie, "Various Positions. A Biography of Leonard Cohen" (deutsch 1999), die sich genauer mit der Person Cohens beschäftigt und in großen Teilen der vorliegenden sehr ähnlich ist. Wer an Leben und besonders der Poesie von Leonard Cohen interessiert ist, wird an "Ein Leben für die Poesie" nicht vorbeikommen.

Titelbild

Ira B. Nadel: Leonard Cohen. Ein Leben für die Poesie.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Bernd Oehler.
Hannibal Verlag, Wien 2000.
254 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3854451385

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