Wieder keine große Geschichte

Jamal Tuschick bleibt sich in seinem zweiten Roman "Kattenbeat" treu

Von Anette MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anette Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jamal Tuschick ist Chronist, der Großstadt Frankfurt, des Frankfurter Nachtlebens, der hessischen Geschichte. Wie schon in seinem ersten, letztjährigen Roman "Keine große Geschichte" verknüpft Tuschick die Werdegänge seiner Charaktere - allesamt seit frühen Jugendtagen Freunde - mit historischen Ereignissen, erzählt von kriegerischen Auseinandersetzungen in den Kasseler Bergen des 10. Jahrhunderts und von endlosen Nächten in der Frankfurter Technodisco "U 60311", in der auch der Autor im realen Leben arbeitet.

Der Freundeskreis, dessen Geschichte Tuschick bereits in seinem ersten Roman thematisierte, steht auch in "Kattenbeat" im Mittelpunkt, sind sie einander doch durch die gemeinsame Vergangenheit und gemeinsam gefochtene Schlachten tief verbunden geblieben. "Kattenbeat" war ihre Losung und weckt sofort Erinnerungen an die Straßenkämpfe der ehemaligen Gang, als man sich Jahre später immer eher zufällig wieder trifft.

In drei Abschnitten werden Szenen der gemeinsam verbrachten Jugend durch drei unterschiedliche Erzähler beleuchtet, ebenso wie historische Ereignisse Hessens. Tuschicks Erzählweise gleicht dabei einem Beleuchter, der einzelne Personen mit einem einzigen, grellen Spotlight in einem großen dunklen Saal anstrahlt. Es gibt keinen flüssigen Erzählstrom; der Autor lenkt unsere Aufmerksamkeit für ein paar Seiten auf "Burroughs", um sich dann im nächsten Absatz auf seinen Protagonisten Teichmann zu konzentrieren.

"Kattenbeat" folgt keiner strengen Chronologie, die jeweiligen Erzähler verweilen mal in der Gegenwart, mal in der jüngeren Vergangenheit, um dann eine tausend Jahre alte Episode der hessischen Geschichte nachzuerleben. Die Episoden fangen irgendwo an, hören wieder auf und beginnen woanders von neuem. Die Struktur des Romans ist eigensinnig und trotzig, der Text nimmt keinerlei Rücksicht auf den Leser, und dies zeugt nur von der Souveränität des Autors, mit mehreren Erzählebenen spielen zu können. Dennoch ist die Lektüre mitunter schwierig, da sich die Stimmen der verschiedenen Erzähler im Ton kaum unterscheiden.

Die Geschichte der Ausreißerin Ici im zweiten Teil ("Teichmanns Aufzeichnungen") wird in gleichem Ton erzählt wie der Territoriumskampf der Freunde, die als Jugendliche stets die eigene Härte und Unbesiegbarkeit zur Schau gestellt haben. Zentrales Thema aller drei Teile bleibt jedoch die Frage, wer von den Freunden im Leben letztendlich das Rennen machen wird. Der dritte Teil ("Wenn schon"), der fast ausschließlich in der Disco "U 60311" spielt und in den Zeitungsartikel über das "U" eingestreut sind, hebt die Erfolgsfrage deutlich hervor, als der Protagonist Koller zweifelt, ob man sich zu den gescheiterten Existenzen rechnen müsse, wenn man mit vierzig noch Karten an der Discotür abreiße.

Tuschicks Dreiteilung des Romans verdeutlicht die erzählerischen Möglichkeiten, die er als Autor hat, aber auch, dass er seine gewählten Themen sprachlich und stilistisch durchweg beherrscht. Seine Überzeugung, sich als Autor nicht dem gängigen, erfolgsversprechenden Geschmack anzupassen, sollte einem stringenteren Erzählen weichen und könnte dennoch mit einem starken, unverkennbaren Erzähler aufwarten. Dann wird Tuschick den Pop-Pseudo-Literaten in ihrem selbstgebastelten Möchtegern-Elfenbeinturm ohne Anstrengung den Rang ablaufen.

Titelbild

Jamal Tuschick: Kattenbeat. Roman.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
151 Seiten, 8,60 EUR.
ISBN-10: 3518122347

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch