Alles beginnt mit dem Buch

Tolkiens "Herr der Ringe" erstrahlt in neuem Glanz

Von Janine BachRSS-Newsfeed neuer Artikel von Janine Bach

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gerade erst ist er in den deutschen Kinos angelaufen - Der Film "Harry Potter und der Stein der Weisen" schlägt seither alle Rekorde. Der kleine Zauberlehrling ist mittlerweile den meisten ein Begriff. Dabei hat Potter-Mania dem Trend, ein Objekt der Schaulust und des Kinos zu werden, lange widerstanden. Vier Bände mussten die von den Büchern bereits restlos begeisterten Potter-Fans abwarten, ehe der Erfolgsstoff auf die Leinwand kam.

Dabei ist Harry Potter nur eines von zwei Mega-Events des internationalen Filmgeschäfts in diesem Herbst: kurz vor Weihnachten wird der langersehnte erste Teil des Fantasy-Klassikers "Der Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien in den deutschen Kinos zu sehen sein.

Bereits 1954 erstmals erschienen, mussten sich die Fantasy-Anhänger etwas länger gedulden, bis das erste Buch um die Ringhelden Frodo, Gandald, Bilbo und wie sie alle heißen, verfilmt wurde.

Aber, wie der Klett-Cotta Verlag so schön wirbt, "alles beginnt mit dem Buch" und da muss man ihm in diesem Fall auch unumwunden zustimmen: seit seinem Erscheinen in den Jahren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde "Der Herr der Ringe" von vielen gelesen, ja förmlich verschlungen. Seither gilt Tolkien als Begründer und Meister des Fantasy-Genres schlechthin. Er schuf Welten und Figuren, die von nicht wenigen anderen Autoren als Quelle der Inspiration in eigenen Werken wieder auftauchten. Zahlreiche Rollenspiele verwenden zur Definition von Gut und Böse die von Tolkien geformten Völker der Orks und der Elben und selbst Metal-Bands wie beispielsweise "Summoning" verarbeiten in ihren Song-Texten den "Herr der Ringe"-Stoff. Seit den 60er Jahren gilt der "Herr der Ringe" weltweit als Kultbuch und wurde von seinen Lesern zum Buch des Jahrhunderts gewählt.

Angesichts dieses Erfolges, der bevorstehenden Jahrtausendwende und wahrscheinlich auch nicht zuletzt aufgrund des Wissens um die geplante Verfilmung und der damit verbundenen verkaufsstrategischen Überlegungen, erschien es den Herausgebern als längst überfällig, Tolkiens Dauer-Bestseller in einer neuen Übersetzung auf den Markt zu bringen. Dieser Aufgabe nahm sich der Tolkien-Kenner und Übersetzer Wolfgang Krege an und löste mit dem Erscheinen der ersten Auflage der neuen Übersetzung im vorigen Jahr Margaret Carrouxs Übertragung aus dem Englischen ab. Im Klappentext der leinengebundenen Ausgabe ist zu lesen: "Man meint, einen völlig neuen Tolkien zu lesen, [ein] Meisterwerk der zeitgenössischen Literatur." Zeitgenössisch ist Kreges Übersetzung allemal, verwendet er doch modernere, d. h. unkompliziertere Satzstrukturen und vermeidet weitgehend altertümelnde Wendungen wie z. B. "indes", die bei Carroux noch üblich waren. Hier und da gelingt es Krege, den Original-Ton Tolkiens treffender zu formulieren als seine Vorgängerin dies tat, doch insgesamt bleibt der Eindruck bestehen, Krege habe in Bezug auf die alte Übersetzung lediglich Haupt- und Nebensätze vertauscht und so viele Synonyme wie möglich zu den von Carroux gewählten Wörtern verwendet. Übersetzt sie Tolkiens Begriff der "tale" mit "Erzählung", so macht Krege "Geschichte" daraus - benutzt Carroux den Terminus "Geschichte", so schreibt Krege von der "Erzählung". Nicht länger ist "Der Herr der Ringe" "sprachwissenschaftlich" inspiriert, sondern "linguistisch" und die Hobbits scheuen sich nicht mehr vor "dem großen Volk" sondern nur noch vor den "Großen". Nun, dies mögen Kleinigkeiten sein, die aber wegen ihrer Buch umfassenden Präsenz dem eher altertümlichen Charakter der Geschichte um den Ringkrieg entgegenwirken und den Leser irritieren. Schwieriger wird es noch, wenn Krege die Figuren Frodo mit "Chef" anreden lässt, anstelle ihn mit "Herr" zu titulieren, wie es in Carrouxs Übersetzung stets gehalten wird, was auch dem englischen Original "Sir" weit mehr entspricht. Überhaupt bleibt Carroux semantisch und syntaktisch näher am Original. Diese, nun leider überholte Übersetzung wird dem Anspruch nach Zeitgeist schon wegen seiner Authentizität weniger gerecht als Kreges Version, man bedenke aber, dass es sich bei "Herr der Ringe" auch nicht um ein zeitgenössisches Buch handelt: vor Jahrzehnten entstanden, schlug die Geschichte laut Tolkien selbst inhaltliche "Wurzeln in die Vergangenheit", in längst vergangene Welten und Zeitalter. Sollte da nicht auch eine neue Übersetzung darauf bedacht sein, diesen altertümlichen Geist innerhalb des "Herrn der Ringe" zu bewahren, anstatt um jeden Preis "modern" sein zu wollen und dem Original dann nicht wirklich gerecht zu werden?

Dass nun auch diejenigen, die das Buch nicht kennen, ins Kino gehen werden, dafür sorgen - wie schon im Fall "Potter" - die Marketing-Strategen mit immer neuen Merchandise-Produkten und breit angelegter Werbung in den Medien. Hoffen wir, dass auch nach dem Film der phantastische Mythos "Herr der Ringe" in Gänze bestehen bleibt, denn: "Alles beginnt mit dem Buch" und endet hoffentlich nicht mit dem Film.

Titelbild

J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe. Ausgabe in neuer Übersetzung und Rechtschreibung.
Übersetzt aus dem Englischen von Wolfgang Krege.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001.
1236 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-10: 3608932224

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