Die Wonnen der Genusskultur

Wolfgang Knorrs Buch "Monster, Movies, Macht und Massen"

Von Jürgen PelzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jürgen Pelzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was den Kulturkonsum in Deutschland nach 1945 betrifft, so scheint es eine Art 'gespaltenes Bewusstsein' zu geben, wie dies Hans Dieter Schäfer bereits vor Jahren für die Zeit des Nationalsozialismus konstatiert hat; hatte man in der braunen Diktatur trotz offiziell verordnetem Antiamerikanismus einzelne US-Autoren lesen, Coca-Cola trinken und gelegentlich sogar 'entartete' Jazzmusik spielen und hören können, so gab man sich nach 1945 erst recht den Wonnen der amerikanischen Genusskultur in all ihren Formen hin, hatte dabei aber zumeist ein schlechtes Gewissen. Das Populäre galt - und gilt - als seicht, als kulturell minderwertig, während sich die traditionelle "E-Kultur" endgültig in die Gefilde des Esoterischen, Erdabgehobenen, ja total Sterilen und Ungenießbaren verflüchtigt.

Wo liegen eigentlich die historischen Ursachen dieses Trends? - so die Ausgangsfrage in Wolfram Knorrs Untersuchung. Neue Antworten finden sich, um dies gleich vorwegzunehmen, in diesem Buch mit dem bombastischen, reißerischen, aber irreführenden Titel leider nicht. Der Autor begnügt sich mit einem subjektiv gefärbten, ankedotenhaft-improvierten, folglich allzu beschränkten Blick auf die gefühlsmäßige Befreiung, welche die amerikanischen Kulturimporte für die Teens und Twens der vierziger, fünfziger und sechziger Jahre bedeutet hat, und lässt ziemlich kunterbunt Revue passieren, was die kulturelle Unterhaltung seit dem 19. Jahrhundert an gut Gemachtem zu bieten hat - vom Comic bis zum Western, von der Detektivgeschichte bis zur Designer-Jeans, vom Cartoon bis zur Fernsehserie. Und in der Tat haben sich bekanntlich in Deutschland nur wenige auf diesem Sektor hervorgetan, sieht man einmal von Wilhelm Busch und seinen Comics ab, denn sobald es vielversprechende Ansätze gab, wurden sie im Namen der kulturellen 'Correctness' gekappt und als minderwertig, seicht, wenn nicht gar als jugendgefährdend hingestellt.

So weit, so schlecht. Knorr geht nun aber in seiner permanent durchgehaltenen jugendbewegten Begeisterung für das technische know how der US-Unterhaltungskultur (nur im amerikanischen Western "singen" z. B. die Schüsse) so weit, dass er zu einer Generalattacke auf jegliche "E-Kultur" ansetzt; er begnügt sich nicht mit dem Anfang der neunziger Jahre gängigen Lamento über das chronisch Unterhaltungsfeindliche deutscher Literatur, Filme usw. - er lehnt überhaupt jede ernste Thematik ab, es sei denn, sie wird auf so raffiniert schlitzohrige und spannende Weise geboten wie im absurden Theater Samuel Becketts (oder Eugene Ionescos). Das Problem der Massenkultur (oder der "popular culture") bekommt der Autor so nicht einmal ansatzweise in den Griff. Gute Machart und eine entsprechende Verbreitung gelten schon als Ausweis von Qualität und wahrer Demokratie. Und so ist dieses offensichtlich flüchtig zusammengestellte Sammelsurium persönlicher Vorlieben und Reminiszenzen in jeder Beziehung unzureichend, ja es liefert nicht einmal eine informative Darstellung gut gemachter amerikanischer (oder sonstiger) Unterhaltungskultur.

Titelbild

Wolfram Knorr: Monster, Movies, Macht und Massen.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 2000.
383 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3251400169

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