Eine Fahrt ins Blaue

Sabine Rebers zweiter Roman "Blau"

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Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine Fahrt ins Blaue

Sabine Rebers zweiter Roman "Blau"

"Sie sah sich um und erschrak. In jeder Richtung reichte das Meer bis zum Horizont [...] Sie war auf einer Insel gestrandet, die so klein war, dass Orla auf allen Seiten das Wasser sehen konnte."

Als Köchin hat die Umweltaktivistin Orla McGroarty an Bord des Trawlers Fastkast angeheuert um die Fangpraktiken der fischverwertenden Industrie zu dokumentieren. Schwertwale, die sich nach einer Woche auf offener See in den Netzen verfangen, werden von der faröischen Crew brutal geschlachtet. Als die irische Meeresbiologin die illegale Tötung fotografieren will, wagt sie zu viel und wird durch die wütende Mannschaft misshandelt und eingesperrt. Orlas Mitstreiter Duncan Gray von den "Atlantic Warriers", aus dem in Studienzeiten gemeinsam gegründeten Verein zum Schutz der Meere, gelingt es, sie zu befreien. Doch das Rettungsboot, auf dem sie allein dem Ozean übergeben wird, erweist sich nur als vermeintlich sichere Zuflucht. Nach turbulenten Tagen auf See strandet das Boot an der Küste einer unbewohnten Atlantikinsel und Orla arrangiert sich über Monate mit einem Robinson-Leben.

Auf dem irischen Festland hofft Manfred, ihr schweizer Verlobter, nach dem Ende einer offiziellen Rettungsaktion hartnäckig auf ihre Rückkehr. Das Grün des Hauses von Orlas Familie wird für den passionierten Gärtner zum Ersatz für die eigenen Gewächshäuser in der Schweiz. Er widmet sich der Lebensvision seines Mentors Georg: Der Züchtung einer Rosenart mit der nie verwirklichten Blütenfarbe blau.

In Rückblenden wird der Kontrast zwischen der lebensfrohen und spontanen Irin und dem nachdenklichen, bodenständigen Schweizer dargestellt, der zur Quelle wechselseitiger Anziehung wird. Doch zu einer glücklichen Vereinigung kommt es auch nach Orlas abenteuerlicher Rückkehr von der Atlantikinsel nicht: Manfred hat sich auf eigene Faust auf die Suche nach seiner Verlobten gemacht und ist mit dem Trawler von Orlas Vater aufs offene Meer hinausgefahren. Seine Fahrt ins Blaue beginnt!

Ebenso wie in ihrem Debüt "Die Schwester des Schattenkönigs" bedient sich Sabine Reber in ihrem zweiten Roman einer facettenreichen Sprache mit fast lyrischem Charakter. Eine melancholische Grundstimmung begleitet den Gegensatz zwischen der Rationalität des bodenständigen Gärtners und der Emotionalität der seefahrenden Naturschützerin.

Im Vergleich zu anderen Vertretern der Generation @ wirkt die Sprache und die Grundanlage der Werke Sabine Rebers nicht wie aus dem "hippen" Alltagsleben gegriffen und zur Pop-Inszenierung aufgeblasen. Vielmehr beschreibt sie in ruhigen, ästhetischen Bildern Reflektionen und Hintergründe - wobei ihre epische Stärke in den beschreibenden Passagen und nicht den bisweilen hölzern wirkenden Dialogen liegt.

Mangelnde Phantasie kann man der Autorin wahrlich nicht vorwerfen:

Das 180-Seiten-Werk vereinigt eine Liebesgeschichte vor dem

Hintergrund kultureller Unterschiede mit einem Ökoroman in der

Tradition der 80er Jahre, einem Märchen über versunkene Welten mit verschwundenen Lebewesen sowie einer Lehrmeister-Schüler-Thematik, die zwei gesellschaftliche Außenseiter in einer gemeinsamen Vision vereint.

Genau hieran krankt die Erzählung: Zwar wird das Überleben Orlas auf der Atlantikinsel glaubhaft ausgeführt und die Verbundenheit Manfreds zur Gärtnerei erklärt, aber Erzählstränge, die Stoff für eigenständige Bücher liefern würden, bleiben auf der Strecke. Gerade märchenhafte Episoden brechen deutlich mit der ansonsten realistischen Sprachwahl: So reitet etwa Orlas kleine Schwester auf dem Rücken von Walen.

Der interessante Ansatz, den rationellen Lebensplan Manfreds mit der mystischen Welt Orlas in der Faszination für die blaue Blume bzw. das blaue Meer zu verschmelzen, wird durch die Vielzahl an Motiven verwischt.

Den Lesefluss stört auch, dass sich einige Motivationen der Figuren nicht nachvollziehen lassen - wie das lange Schweigen von Orlas Begleiter Duncan über die Umstände ihres Verschwindens, die der Rettungsaktion eventuell zu einem Erfolg verholfen hätten. Am Schluss des Romans, welcher allzu überhastet wirkt, hat man den Eindruck, dass die einzelnen Handlungsfäden nicht abgeschlossen, sondern abgeschnitten werden.

Titelbild

Sabine Reber: Blau. Roman.
Reclam Verlag, Leipzig 2001.
182 Seiten, 8,50 EUR.
ISBN-10: 3379200018

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