Mehr Meer

Gedichte von Hendrik Rost

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Viele Gedichte von Hendrik Rost haben das Meer entweder zum Thema oder zum Ort ihres Sprechens. Das ist schon einmal sehr schön: "... die Hunde verträumen/ den Tag vor der Schwelle/ müde vom Jagen nach den Schaumkronen". Doppelt schön wird es, weil Rost sich weitgehend der bildungsbürgerlichen Klassikhuberei enthält, die in den letzten Jahren die Tropen der bekanntesten deutschen Lyriker durchkreuzte. Es ist wohltuend zu merken, dass hier ein Autor schreibt, der es nicht nötig hat, sein Lektürepensum vor dem Publikum aufzublättern. Und wo sich Rost auf andere Texte (meist amerikanische Gedichte) bezieht, nennt er sie freimütig in der Überschrift.

Rosts Gedichte wollen weder ein neues Programm sein, noch sind sie sich zu gut für den Alltag. Das gilt für Form und Inhalt. Metrisch und strophisch sind sie so schlicht gebaut wie die Beobachtungen, von denen sie ausgehen. Und das ist keine Kritik, sondern eine Befreiung. In dem Raum, der sich durch das Achselzucken auftut, mit dem sich Rost um die angestrengten Lyrikdiskurse zu kümmern scheint, werden Platitüden auf einmal klingend: "Die Küste entfernt sich/ im Kielwasser, während/ der Horizont den Abstand/ wahrt. Wasser, verstehe ich,/ als die Leinen sich lösen,/ begreift man nicht ". Leider kommt auch Rosts Lyrik nicht nur mit dem Meer und Naturbeobachtungen aus. Auch in sie muss ein ansprechbares Du hinein, das in diesem Fall durch eine Reihe etwas aufdringlich expressionistischer Motive vorgestellt wird. "Ich träumte/ von einer blauen Gitarre,/ auf der alles genau so klingt,/ wie es geschieht [...] Für uns ist das meiste einfach und nackt./ Jenseits davon vermisse ich dich". Moment mal. 'Ich vermisse dich'? Kann man das ungestraft in ein Gedicht schreiben? Man kann es nicht. Das 'Jenseits davon' täuscht noch über die Phrase hinweg, aber, um im Jargon zu bleiben, kleine Sünden straft die Muse sofort mit gewundenen Gedanken. Rost ist vor allem gut bei Aerobic in der freien Natur, die Gegenliebe muss leider unerwiedert bleiben. Die Schwachstellen gibt es einige: Das Abrutschen in die unpersönliche Sentenz ("zu mehr/ fehlt einem allerdings der Mut"), hin und wieder doch noch die grammatologische Textmeierei ("Sprache setzt etwas in ein bestimmtes Licht", "als wüchse Stille in den Lauten"). Aber dann kommt immer wieder das Meer und rettet die Epiphanie. "Ein klarer Morgen,/ an dem hinter dem gebeugten Rücken des Wassers/ kein Land zu sehen war, niemand/ vermutete mich."

Titelbild

Hendrik Rost: Aerobic und Gegenliebe. Gedichte.
Grupello Verlag, Düsseldorf 2001.
94 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3933749697

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