Hauptsache Pop!

Roel Bentz van den Berg zelebriert "magische Momente der Popkultur"

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor drei Jahren erschienen unter dem Titel "Die Luftgitarre" gesammelte Kolumnen des Musikjournalisten Roel Bentz van den Berg, einer Art niederländischen Lester Bangs oder Diedrich Diedrichsen. Damals stand allein die Popmusik im Vordergrund, einzelne Songs oder Interpreten dienten Berg als Grundlage für teils arg pathetische Meditationen, die durch den unstillbaren Drang des Autors zur philosophischen Überhöhung des Trivialen nur sparsam dosiert genießbar waren. Nun liegt mit "Die unsichtbare Faust" ein weiterer essayistischer Sammelband vor, dessen Repertoire diesmal, umfangreicher und unverfänglicher, aus "magische[n] Momente[n] der Popkultur" besteht. So schreibt Berg über Johnny Cash, Muhammad Ali, Douglas Coupland und viele, vieles andere mehr. Hauptsache, es hat nur irgendwie irgendwas mit Pop zu tun.

Der Magie des Augenblicks verschrieben zieht Berg folgerichtig die Assoziation der Analyse vor und wählt als Einstieg in seine kurzen Reflexionen gerne eine persönliche Lektüreerfahrung. Eine Erzählung von Ray Bradbury hinterließ bei Berg etwa einen "existentielle[n] Schauder", der ihn "im September 1996" wieder überkommen sollte, als er gewahr wurde, dass er nun schon zum zweiten Mal in seinem "Leben so alt war wie einer [s]einer großen Helden zum Zeitpunkt seines Todes". Nur weilt der Autor, anders als seine Helden Elvis Presley oder Jack Kerouac, noch unter den Lebenden und kann die Welt daher teilhaben lassen an derart spirituellen Erfahrungen.

Berg kann durchaus interessant schreiben und zwar immer dann, wenn es ihm gelingt, die in den meisten Prosastücken waltende Symbiose aus schwüler Subjektivität, angestrengter Metaphorik und kosmischer Geschwätzigkeit aufzubrechen und sich einfach mal seinem Gegenstand zu widmen. So geschehen etwa in seinen Portraits von Bruce Springsteen und Harvey Keitel - oder aber auch in einer Ideolgiekritik der Teletubbies: "Ziemlich beunruhigend das alles, um nicht zu sagen unheimlich, mit all diesen Elementen des 'mind-control'", schreibt er im Hinblick auf den unsichtbaren, omnipräsenten Aufpasser und Auftraggeber im quietschbunten Teletubbieland.

Die Gegenstände seiner Essays dienen jedoch meist nur als Vehikel der Berg'schen Privatphilosophie. Berg scheint darauf zu spekulieren - und der über die Grenzen seiner Heimat hinausgehende Erfolg gibt ihm Recht -, dass seine geneigte Leserschaft aufgrund des emotionalen Pathos' in quasi apologetischer Verbrüderung den dürftigen Informationswert seiner Essays verschmerzen kann. Da ist Distanz nicht angebracht, ja sogar hinderlich. In dieses Konzept passt auch, dass Berg mit seinem bisweilen recht mutwillig wirkenden Hin und Her zwischen Rock 'n' Roll, Metaphysik und Bildungskanon offenkundig eine Art postmoderne Legitimierung popkultureller Vorlieben betreibt: Schaut her, ich höre Dusty Springfield und weiß trotzdem, wer Sokrates ist!

Roel Bentz van den Bergs Portraits haben leider nicht viel vom leichtfüßigen "Shuffel zwischen Sein und Nichtsein", den sein großes Vorbild Muhammad Ali eindrucksvoll in einer ganz anderen Disziplin zu tanzen wusste. Man könnte auch versöhnlichere Worte finden für Bergs Buch: liebevoll, ohne Scheuklappen, mit echter Begeisterung schreibt der Journalist - das kann ihm niemand absprechen. Aber letztlich will der magische Funke dann doch nie so recht überspringen.

Titelbild

Roel Bentz van den Berg: Die unsichtbare Faust. Magische Momente der Popkultur.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Gregor Seferens.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2001.
239 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3518122053

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch