Die Suche nach Rosenknospen

Peter Haff auf den Spuren von Edward-Tonelli

Von Eva SattelmayerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eva Sattelmayer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wir versuchen aus dem Leben Inseln der Bedeutsamkeit aufsteigen zu lassen und irgendwie festzumachen" - so erklärt Peter Haff in seinem neuen Buch das Bedürfnis zu reisen. Er und seine Frau S. nehmen an einer Reise zu den untergegangenen Reichen der Weltgeschichte teil. In 23 Tagen besuchen sie Petra, Muskat, Rangoon, Pagan, Vientiane, Luang Prabang, Angkor Wat, Kathmandu, Lhasa, Ulan Bator und Samarkand. Die organisierte Reise mit dem Namen "Lost Cities Expeditions" ist exklusiv. Die verschiedenen Orte werden in einem extra umgebauten Privatjet, der mit allen nur möglichen Raffinessen ausstaffiert ist, angeflogen. Die Unterkünfte sind stets 5 Sterne Hotels, und an Flughäfen werden die Reisenden durch die VIP-Ausgänge für Diplomaten geschleust. Es versteht sich, dass die Teilnehmer dieser Reise äußerst reich sind, und zum größten Teil auch etwas verrückt. Immer wieder glänzt Haff durch amüsante, oft ein wenig sarkastische Beschreibungen seiner Mitreisenden.

Aber nicht die Reisebeschreibungen, sondern die überall auftauchenden Lebensgeschichten von bemerkenswerten Menschen, die philosophischen Ideen, die gesellschaftskritischen Anmerkungen und die außergewöhnlichen Definitionen von Krieg, Fundamentalismus, Reisen etc. sind die Haupthemen. Haffs Bemühungen jedoch, dem Leser die Bedeutung der verschiedenen Tempel nahe zu bringen, sind umsonst. Spätestens in der Mitte des Buches verliert man den Überblick über die jeweiligen Orte. Aber wahrscheinlich ergeht es den Reisenden von "Lost Cities Expeditions" genauso.

Im Koffer hat der Autor ein altes Buch von Sir M. Anthony Edward-Tonelli. Vor 200 Jahren hat dieser eine ähnliche Reise gemacht, allerdings dauerte seine nicht 23 Tage, sondern Jahre. Als Jesuit begann er sein Abenteuer, wurde buddhistischer Mönch, Schamane und letztendlich ein Epikureer. Jemand, der das Glück im Augenblick suchte. Diese Momente des Glücks nannte er "Rosenknospen pflücken".

Haff holt Edward-Tonellis Reisebericht an den verschiedenen Orten immer wieder hervor und zieht Parallelen zwischen den beiden Reisen. Er selbst ist auch auf der Suche nach Rosenknospen und versteht es, die Momente des Pflückens dem Leser nahe zu bringen.

Kurze Begegnungen mit anderen Menschen werden zu bedeutsamen Erlebnissen. Da ist zum Beispiel Gamal, ein lokaler Führer in Petra, der mit Haff einen Tag verbringt, und auch gerne Schriftsteller geworden wäre. "Da wäre aber nichts Gescheites daraus geworden", weil er zuviel denkt. Er möchte keine Adressen austauschen, weil er Lymphdrüsenkrebs hat und weiß, dass er bald sterben wird. Oder da ist der alte, lächelnde Mönch in den Bergen bei Lhasa, der ein dürres Blatt pflückt und es dem Autor wortlos überreicht.

Haff ist ein Erzähler der kleinen Dinge, der lustigen, der traurigen, der nachdenklich stimmenden. Er möchte das Leben in der Gegenwart genießen. So wird sein Buch zu einem Aufruf, im Hier und Jetzt zu leben. Wie schon der Titel von Edward-Tonellis Buch lautet: "Pflückt Rosenknospen, so lange es geht".

Titelbild

Peter Haff: Die ungenaue Lage des Paradieses. Eine Reise zu verlorenen Städten. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2001.
343 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3630870902

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch