Die Kommissarin auf dem Dorfe

Peter H. Jamins Kriminalroman "Der Sieg der Taube"

Von Constanze GölzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Constanze Gölz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dolorossa. In dem verschlafenen mallorcanischen Dorf werden nach und nach vier Männer ermordet. Die aus der Hauptstadt abkommandierte Kommissarin Paloma Tobal, die überall aneckt, weil sie städtisch aussieht und sich auch so benimmt, geht zielstrebig an die Arbeit. Bald stellt sich heraus, dass alle Ermordeten das gleiche dunkle Geheimnis haben. Geht ein Rächer um, der die Opfer für ihre Sünden bestrafen will? Der Schlüssel zum Geheimnis liegt bei den Kindern der ermordeten Männer.

Es ist ein anderes Mallorca, dass in diesem Buch dargestellt wird. Nicht Sangria saufende Touristen und weiße Sandstrände bekommt man zu sehen, sondern die Menschen einer kleinen Dorfgemeinschaft, wo jeder jeden kennt und es noch richtige Unikate gibt. Die Welt, in die der Autor Peter H. Jamin seine Kommissarin versetzt hat, ist allerdings nicht unbedingt die Karrierefrauenfreundlichste. Die meisten der Polizeikollegen respektieren nur schwerlich eine weibliche Polizistin als Vorgesetzte. Für sie gehören Frauen doch eher an den Herd und ins Bett. Ein Ausnahmefall scheint Priester Pedro zu sein, auf den Paloma während ihren Ermittlungen trifft. Sie freunden sich an. Doch immer steht etwas zwischen ihnen. Der an das Beichtgeheimnis gebundene Priester weiß mehr als er zugibt. Bald gehört auch er zu den Tatverdächtigen.

Neben Mord greift der Roman noch ein anderes Verbrechen auf. Sexueller Missbrauch an Kindern wird zum Thema des Romans - aber dann doch nicht richtig. Schockierend und erschreckend sind die Berichte und die in voller Brutalität dargestellte Szene eines Missbrauchs. Doch wird es dabei belassen. Ein tieferes Eindringen in das Thema erfolgt nicht. Die Psyche der Kinder wird nicht berücksichtigt. Nichts wird gesagt über Folgeschäden und Bewältigung solcher Erlebnisse. Auch ist es eher ungewöhnlich, dass die missbrauchten Kinder sich jemandem anvertrauen. Um so verwunderlicher, da es sich bei Peter H. Jamin um einen Autor handelt, der schon Fachbücher über dieses und ähnliche Themen veröffentlicht hat, wie "Hilflos. Gewalt gegen Kinder" oder "Sexopfer Kind! Die Machenschaften der internationalen Pornomafia".

Wie sich zum Ende des Romans herausstellt, war Paloma Tobal als Kind selbst Opfer von Kindesmissbrauch. Der sorgsam aufgebaute Clou, daß Tobal den Zeugen ihres eigenen Mißbrauchs wieder trifft, wird jedoch nicht voll ausgeschöpft und Einfühlsamkeit gegenüber Missbrauchsopfern geht nicht über ein Durchschnittsmaß hinaus. Wir erfahren nicht wirklich etwas darüber, wie es im Innern eines Erwachsenen aussehen kann, der solch schreckliche Kindheitserlebnisse hatte. Dadurch fehlt dem Roman eine gewisse Tiefe. Die Kommissarin ist einfach etwas zu stark angelegt, die missbrauchten Kinder sind zu bereit, über ihre schrecklichen Erfahrungen zu sprechen.

Gleichwohl bleibt der Roman spannend von Anfang bis Ende. Glaubt man des Rätsels Lösung zu haben, führt ein neues Detail wieder auf eine andere Spur. Ein richtiger Krimi also, mit etwas schwacher Psychologie, aber dafür mit viel Spannung und Lust auf mehr.

Titelbild

Peter H. Jamin: Der Sieg der Taube. Roman.
Grupello Verlag, Düsseldorf 2001.
188 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 3933749549

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