Viva Éspania!

Max Aubs Auftaktroman "Nichts geht mehr" aus dem Romanzyklus "Das magische Labyrinth"

Von Jana SchaberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jana Schaber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wir schreiben das Jahr 1936. In Spanien putscht General Franco gegen die Volksfrontregierung. Dies ist der Auslöser für den spanischen Bürgerkrieg. Die Großstädte Spaniens sind Schauplätze des Kriegsgeschehens. Mann gegen Mann. Sozialisten gegen Faschisten. Und mittendrin: Rafael López Serrador.

Als armer Bauernsohn ist er in dem kleinen Dorf Viver de las Aguas aufgewachsen. Dort erlebt er die spanische Sitte des Stierkampfes hautnah mit. Ein Stier mit brennenden Hörnern wird, vom Gejohle der Masse begleitet, durch das Straßenlabyrinth des Dorfes gejagt. Der Stier, rasend vor Angst, stürmt durch das Dorf. Dieses Bild verfolgt Rafael ein Leben lang. Mit sechzehn Jahren drängt es den jungen Rafael seine provinzielle Heimat zu verlassen und geht in die Millionenmetropole Barcelona. Im Arbeitermilieu der Stadt wird Rafael schnell mit dem dort herrschenden politischen Unruhezustand konfrontiert. Leidenschaftliche politische Diskussionen um das Fortbestehen Spaniens erhitzen die Köpfe des Volkes. Der Protagonist ist jedoch kein Held. Nein, Rafael wird zu einem Spielball der Ideologien. Er begeht sogar einen Mord an einer Verräterin, ohne jedoch an einer bestimmten politischen Ideologie festzuhalten. Noch am Tage des Aufstands ist Rafael Serrador unentschlossen, welcher Gruppe er nun angehören soll. Wie das bekannte Fähnchen im Wind ändert er seine Richtung. Er erlebt schließlich als Zaungast den ersten Tag der Revolution. Die Aufständischen, gejagt durch die Straßen wie einst der Feuerstier in seiner Heimat. Mit dem ersten Kriegstag endet auch der Roman.

Max Aubs Werk ist eine Erzählung von personeller Vielfalt. Wie einst in den Wirren des Krieges kann man sich als Leser auch in dem Roman verlieren. Wechselnde wörtliche Rede zwischen den vielen Handelnden lassen den so nützlichen roten Faden vermissen. Stets andere Ideologien, andere Lager, andere Namen. Leicht verliert man sich in der Vielfalt der Reden. Spanische Namen, Worte und Redensarten erschweren den Zugang. Aubs Darstellung ist ebenso verwirrend wie die Zeit des Krieges.

Doch trotz, oder vielleicht auch gerade wegen dieses Verwirrspiels, welches Aub mit dem Leser treibt, fühlt dieser sich dem Geschehen nahe. Denn wer ist schon der Meinung, Kriege seien nicht verwirrend? Historisch belegt sind viele der Dialoge und Aub, als Zeitzeuge und Mitkämpfer, lässt sie lebendig erscheinen.

Versehen mit einem Nachwort von Mercedes Figueras und Albrecht Buschmann sowie einem Anhang von Mercedes Figueras welcher zum einen der Übersetzung der spanischen Worte und Redewendungen dienen soll und zum anderen die Erläuterung einiger wichtiger Persönlichkeiten und Örtlichkeiten enthält, kann sich der Leser gut gewappnet fühlen, gut ausgerüstet auf einer politisch-historischen Entdeckungsreise durch das vibrierende Barcelona der dreißiger Jahre.

"Nichts geht mehr" ist der Auftaktroman eines sechsbändigen Zyklus "Das magische Labyrinth", mit dem Aub den Versuch begeht sein Lebenstrauma zu verarbeiten. Aub selbst wird 1903 in Paris geboren. Als Sohn eines deutschen Handlungsreisenden und einer Französin verbringt er seine ersten Lebensjahre in Frankreich. Doch schon 1914, zu Beginn des ersten Weltkriegs muss die Familie Aub nach Spanien auswandern. Der damals Elfjährige erlernt die Sprache schnell und lebt sich in Spanien ein. Rückblickend erklärt er Spanien zu seiner einzigen Heimat. 21-jährig erlangt er die spanische Staatsbürgerschaft. Er war befreundet mit vielen Intellektuellen, darunter Hemingway und Picasso. Er selbst kämpfte auf kommunistischer Seite im spanischen Bürgerkrieg. So war es auch Aub, der als Kulturattaché in Paris 1937 Picasso den Auftrag für dessen berühmtes Gemälde "Guernica" zur Weltaustellung erteilte. Die Jahre von 1940 bis 1942 verbrachte Aub in Konzentrationslagern, ab 1945 befand er sich mit Frau und Kindern im Exil in Mexiko. Dort starb er im Juli 1972. Der Roman "Campo cerrado", "Nichts geht mehr", wurde 1944 erstmals veröffentlicht.

Titelbild

Max Aub: Nichts geht mehr. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Albrecht Buschmann und Stefanie Gerhold.
Piper Verlag, München 2001.
319 Seiten, 11,70 EUR.
ISBN-10: 3492227880

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