Zeigefinger in Himbeermarmelade

Sandra Hoffmanns Liebestagebuch "schwimmen gegen blond"

Von Ulrich RüdenauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulrich Rüdenauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Montag würde wohl keine Favoritenrolle bei der Wahl des beliebtesten Wochentages einnehmen. Sein Image ist grau; die Routine der Woche beginnt, Lohn- und Beziehungsarbeit setzen von Neuem ein, nachdem man sich am Wochenende der Illusion einer eigensinnigen Lebensweise hingegeben hatte. Alles macht weiter: Am Dienstag fällt einem das Alltagselend schon kaum noch auf. An Montagen dagegen möchte man Amok laufen. Tell me why I don't like Mondays ...

Die Ich-Erzählerin Rosa in Sandra Hoffmanns Erzählung "schwimmen gegen blond" setzt sich ihr Leben aus lauter Montagen zusammen. Zumindest legt sie sich jeweils am Montag Rechenschaft über ihr Liebesleben ab: Ein Jahr lang wächst ihr Tagebuch im Wochenrhythmus, und darin wird - mit Punkt und ohne Komma - das turbulente Gefühlsleben zwischen insgesamt drei Männern austariert. Weil es mit den Gefühlen holterdiepolter geht und eines so aufwühlend ist wie das andere, fließt hier alles in Kleinschrift dahin. Mit Avantgarde oder so hat das nichts zu tun.

Sandra Hoffmann fügt sich mit ihrem Erstling gut in eine Reihe junger Autoren ein, die eigentlich nichts zu erzählen haben, aber die derzeit günstige Chance auf eine Buchveröffentlichung nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen. Also schreibt sie, weil es dazu immer etwas zu sagen gibt, über die Liebe. Zweiundfünfzig Tage lang. Immer am berüchtigten Montag. Amoktag. Aber keine Sorge, richtig aufregend wird es nicht.

Auf der ersten Seite wird einem klar gemacht, dass Beziehungskisten schwere Gegenstände sind. Die Liebe scheint auf Dauer ziemlich ungesund zu sein: "liebe frisst löcher in die zähne und wie ich das meine? das ewig süße eben wie man es gerne hätte. man kennt es ja." Ja, man kennt es: eine Art Empfindsamkeitsprosa mit reichlich poetischem Ehrgeiz. Hauptsatz reiht sich an Hauptsatz, Schnoddriges paart sich mit einem Vereinfachungs-Gestus, der an Birgit Vanderbeke gemahnt. Hoffmanns Erzählung kommt als Miniatur daher, die sich aus kleinen Alltags-Impressionen zusammenpuzzlet: "ich starre auf max' schöne hände und weiß nichts zu sagen und schweige und tauche den zeigefinger in die himbeermarmelade und dann in den mund. immer wieder. der zeigefinger schmeckt nach sommer. gerne würde ich nun sagen: lass uns richtung süden fahren." Ziemlich gut zusammengefasst, wie das Buch funktioniert: süß und nichtssagend.

Die Handlung geht so: Rosa - wie die Autorin im idyllischen Studentenstädtchen Tübingen beheimatet - fühlt sich von ihrem Freund Max unverstanden und nicht genug beachtet, also setzt sie ihn irgendwann schweren Herzens vor die Tür, muss aber gleichwohl ständig an ihn denken. Kurzzeitig denkt sie dann auch an einen anderen, der schlicht nach seiner Haarfarbe und vermutlich seinem Gemüt "der blonde" genannt wird. Der vierte im Bunde, Freund Lieberlein, existiert lediglich als E-Mail-Partner, und da geht es rein platonisch zu, verlieben kann sie sich nicht in ihn, obwohl es für sie vermutlich das Beste wäre, weil die beiden sich wirklich zu verstehen scheinen.

So schwankt Rosa hin und her und versucht sich für ein Lebens- und Liebesmodell zu entscheiden, zumindest für oder gegen Max. Und auch dieses Schwanken hat noch etwas Idyllisches, nie jedoch den Hauch von Tragik. Rosa steht sich selbst im Weg: "wenn ich jedoch nicht in der nähe meiner nähe bin", klingt es da nach schwerem Innerlichkeitskrampf, "will ich nichts mehr entscheiden." Als sie sich doch noch entscheidet und es "endlich" weh tut, da hat sich auch der geneigteste Leser längst entschieden - gegen das Buch.

Titelbild

Sandra Hoffmann: Schwimmen gegen blond. Eine Erzählung in fünfundzwanzig Tagen.
Verlag C.H.Beck, München 2002.
96 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3406486983

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