Viel Rauch und wenig Feuer

Über Theodor Fontanes Kriegsbücher

Von Stefan NeuhausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Neuhaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bislang sind die sogenannten Kriegsbücher Fontanes von der Forschung vernachlässigt worden. Erst John Osborne stellt die Kriegsbücher vor, und erläutert einleuchtend, daß man ihnen eher mit literaturwissenschaftlichen als mit historiographischen Kategorien beikommt, da auch die Produkte des Journalisten und des Reisenden Fontane literarischen Gestaltungsprinzipien unterliegen. Ihm kam es, wie er selber mehrfach betonte, nicht darauf an, ob etwas im geschichtlichen, sondern ob es im poetischen Sinn "wahr" sei. Leider kann sich Osborne nicht ganz von den älteren Perspektiven der Forschung befreien, die die Kriegsbücher als Steinbruch für ihre Interpretationsansätze oder als Fingerübungen Fontanes zu den Romanen betrachten und nur deshalb der Aufmerksamkeit wert halten. Zwar geht Osborne in diesem Zusammenhang auch auf Fontanes kunstkritische Schriften ein, doch läßt er dabei die Verbindung zwischen "Krieg und Kunst" außer acht. Fontanes Poetik scheint bei Osborne keine Rolle zu spielen. "Kunst" wird auf bildende Kunst beschränkt.

Damit zerfällt das Buch in zwei Teile, in eine Studie über die Kriegsbücher und eine über die kunstkritischen Schriften. Doch folgen die einzelnen Teile der Studie weder logisch aufeinander, noch sind sie nachvollziehbar miteinander verknüpft. Nur der Titel von Osbornes Studie gibt einen Hinweis: Fontanes Werk, das zeitlich "Vor den Romanen" liegt, soll vorgestellt werden. Doch geht Osborne hier selektiv vor, indem er Fontanes literaturkritische Arbeit ausblendet. Außerdem fehlen die Bücher über Großbritannien, die Balladen und Gedichte, das Rosamunde-Epos und verschiedene Fragmente. Von dem Fontane "Vor den Romanen" erfährt man nur wenig. Bei einem Blick auf das Literaturverzeichnis zeigt sich, daß wichtige Bücher und Aufsätze fehlen und ihre Ergebnisse folglich auch nicht in die Darstellung eingegangen sind. Hat Osborne sie nicht gekannt? Hat er angenommen, dort nicht fündig zu werden? Oder hat er sie gelesen, ohne sie auszuwerten?

Doch sollte man über diese Fragen nicht die Antworten vergessen, die das Buch gibt. Immerhin hat Osborne die erste umfangreichere, analytische Studie zu Fontanes Kriegsbüchern vorgelegt. Wirklich gelungen sind die Bezüge, die Osborne zwischen Kriegsbüchern und Romanen herstellt. Hier wird zum ersten Mal klar, in welchem Umfang die Einigungskriege Eingang in den bekanntesten Teil von Fontanes Oeuvre gefunden haben.

Titelbild

John Osborne: Theodor Fontane: Vor den Romanen.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999.
218 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3525208057

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