Ermordete Literatur

Mankells "Brandmauer" als Hörbuch

Von Andrea PaluchRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Paluch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das erste Buch von Henning Mankell haben so ziemlich alle Menschen gelesen, die ich kenne. Also habe ich es auch gelesen. Es hat mir ganz gut gefallen, es war blutig und melancholisch und das Wetter in Südschweden immer extrem. Ich muss allerdings eingestehen, dass ich bis heute wenig Leseerfahrung mit der Gattung Thriller habe und so schlecht beurteilen kann, ob Mankells Romane gute Krimis sind. Leichter fällt das literarische Urteil. Schon im ersten Roman waren die stilistischen Schwächen nicht zu überlesen. Solange Mankell gradlinig erzählt, geht es einigermaßen gut, sobald er versucht, seine Figuren auch denken zu lassen, schlimmer noch: fühlen, vergreift er sich in Metaphern und Gewolltheiten.

Das zweite Buch, in dem Kommissar Wallander ermittelt, las ich nur noch halb. Aufbau, Stil, Thema und innere Konflikte der Figuren waren ein Abziehbild des ersten. Die meisten Menschen, die ich kenne, schafften es bis zum vierten oder fünften Buch. Ich stieg aus. Als Literat taugt der Kriminalist nicht. Der wievielte Wallander-Fall die Brandmauer ist, weiß ich nicht. Thema und Ton entsprechen all den anderen aufs Haar. Zwei junge Mädchen töten einen Taxifahrer und zeigen keine Schuldgefühle. Wallander ist entsetzt von der Welt, in der er lebt, und natürlich sind die Täter auch Opfer und umgekehrt. Meine Hoffnung auf mein erstes Wallander-Hörbuch richtete sich nicht so sehr auf den Inhalt, sondern auf das Coverversprechen, dass das "Hörspiel mit exzellenten Sprechern, sinnlicher Atmosphäre und filmreifer Musik beeindruckt." Das wäre die Chance, all die vielen und redundanten Füllworte der Romane wegzukaschieren. Leider ist der Text komplett gelogen. Als Filmmusik mag das Tongetöse möglicherweise funktionieren, immerhin gibt es da noch Bilder, die die Aufmerksamkeit ablenken. Auf CD hämmern einem die Akkorde ein, dass es nun spannend - ach was schreibe ich - mörderisch spannend sein soll. Ist es aber leider nicht. Die Geräuschkulisse entspricht der einer Daily-Soap. Die Sprecher haben eine jugendliche Stimme, auch wenn sie alt sind, und der Sprecher des Erzählers stöhnt und röchelt seinen Text hinunter, dass einem Angst und Bange wird - um ihn.

"Die Brandmauer"-Hörbuchproduktion weckt grundsätzliche Zweifel an der Möglichkeit, Literatur zu einem Hörspiel umzuschreiben. Die Dialoge stehen nicht für sich, sondern illustrieren nur den vorgelesenen Text und sind somit entbehrlich. Die Spannung aber, die ein vernünftig gesprochener Text aufbauen kann, wird durch die albernen Ton und Klangeffekte wieder zunichte gemacht. Hört man "Die Brandmauer", kann man nur hoffen, dass der Boom an Hörbuchproduktionen bald wieder zurückgeht und nur diejenigen Texte als Hörspiel produziert werden, die eine klare Hörspielvorlage abgeben, bzw. dass diejenigen, die es nicht sind, einfach und schlicht vorgelesen werden. Aber am Ende mag auch der hier versuchte Mittelweg zu einem ordentlichen Ergebnis führen, und es liegt allein an der Romanvorlage, dass man zu dem ganzen Werk nur sagen kann: Besser ist es eben nicht.

Titelbild

Henning Mankell: Die Brandmauer. 3 CDs. Gesprochen von Christoph Schobesberger, Heinz Kloss, Franziska Hayner u. v. a.
Der Hörverlag, München 2002.
ca. 172 Minuten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3895845795

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