Die Unmöglichkeit der (Selbst-)Erkenntnis

Über Carsten Probsts "Träumer"

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Bücher, bei denen man schon auf der ersten Seite zu wissen glaubt, was passieren wird. Alles schon gesehen, gelesen und gehört. Und dann beginnt doch etwas neues, etwas anderes, man ist überrascht, liest weiter und wundert sich. So ein Buch ist auch "Träumer" von Carsten Probst.

Zugegeben, ich bin noch immer verwirrt. Eine Ich-Stimme erzählt - Andreas. Doch von Beginn des Romans an ist Andreas eine instabile Existenz. Wer ist er, woher kommt er, in welcher Beziehung steht er zu Bernhard, der anderen Hauptfigur dieses Romans, die doch eine solch große Rolle in Andreas' Leben spielt? Obgleich nüchtern, direkt und ohne künstliche Umschweife erzählt, wird dies alles immer neu beleuchtet, ändert sich, fällt zusammen und wird wieder anders zusammengepuzzelt. Analog dazu muß es sich auch der Leser selbst zusammenpuzzeln. Von Seite zu Seite, Abschnitt zu Abschnitt. Und wieder ist eine Theorie überholt, muss man sich neu orientieren. Was geschieht hier eigentlich? Und wem?

Andreas kehrt zu Beginn des Buches, in einer Art Prolog, nach Hause zurück. Zu Hause, das ist die psychiatrische Klinik in Neuenhausen. Und mit ihm scheint auch Bernhard zurückzukehren - oder zumindest ein Schatten dieses Namens. Oder nicht? "Andreas ist doch nicht hier", sagt der Kontrollmann am Eingang der Klinik. Ist er nicht? Und wer erzählt dann die Geschichte?

Da beginnt der Roman erst richtig. Andreas ist nun auf dem Weg, Lisa, Bernhards Schwester zu besuchen. In ihrer Wohnung angekommen, tauchen alte Erinnerungen auf. An eine Reise nach Frankreich mit Bernhard, an die erste Begegnung mit Lisa, an ein Zusammenleben mit Lisa und Bernhard. Und immer wieder erscheinen andere Figuren: Bernhards Bruder Robert, seine Mutter Molina und Eva. Sie sind einfach da, mal für kürzere, mal für längere Zeit. Sie entscheiden mit über Bernhards Leben, über Andreas, dann sind sie wieder verschwunden. Übrig bleibt immer Andreas. Und er erzählt weiter: Von Lisas verzweifeltem Kampf gegen Bernhards Einweisung in eine psychiatrische Klinik, von Bernhards Anfällen, von seinem Verfolgungs- und Größenwahn. Und von Andreas eigenen Schuldgefühlen, der Unfähigkeit zu helfen. Von seiner Sinnesverwirrung, die auch mit Bernhard zu tun hat (oder nur zu haben scheint).

Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode, möchte man ausrufen, doch welche, dahinter ist sicher nur schwer zu kommen. So sehr man die Geschichte auch dreht und wendet, immer scheint ein Stück des Rätsels nicht ins Gesamtbild zu passen. So bleibt denn der Leser verunsichert zurück. Aber gut unterhalten - und mit genügend Stoff zum Nachdenken versorgt.

Titelbild

Carsten Probst: Träumer.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2001.
176 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3803131642

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