Mut zur Anmut

Eva Mattes liest Fouqués "Undine" ganz ungekünstelt

Von Alexis EideneierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Alexis Eideneier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich passen sie nicht so recht in unsere Spaßgesellschaft, die holden Erscheinungen im Rauschen des Waldesdunkels. Zu groß scheint der Abstand zwischen der Jetztzeit und der Romantik, als dass man außerhalb germanistischer Oberseminare heute noch jemanden für Friedrich de la Motte Fouqués Nixenmärchen "Undine" begeistern könnte. Irrtum. In einem neuen Hörbuch beweist die Schauspielerin Eva Mattes, dass die alte Mär vom Ritter Huldbrand, der sich in das seltsam-reizende Meerfräulein Undine verliebt, keineswegs veraltet zu sein braucht.

Die drei CDs verdanken ihr Entstehen einem kalendarischen Anlass: Zum 225. Geburtstag des Autors Fouqué am 12. Februar 2002 regte Eva Mattes eine Hommage an den großen Romantiker an. Theaterfreunde und Cineasten mag diese Wahl überraschen. Die bekannte Schauspielerin ist schon in zahllose Rollen geschlüpft und irgendwie ist unser Bild von der Mattes immer von ihrem jüngsten Auftritt bestimmt. Sie begann ihre Karriere in Filmen von Michael Verhoeven und Rainer Werner Fassbinder und trat in zahlreichen Theaterstücken unter der Regie von Peter Zadek auf. Neuerdings ist sie gelegentlich gar als genusssüchtige Kommissarin Klara Blum in Tatort-Krimis zu sehen. Mit ihrer akustischen Interpretation der "Undine" findet sie zu einer hinreißenden Anmut, die sie vielleicht zuletzt in Percy Adlons Film "Céleste" als Marcel Prousts fürsorgliche Haushälterin verkörpert hat.

Es beeindruckt, welche Vertrautheit die ruhige, sanfte Vortragsweise der Vorleserin herzustellen vermag. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts wirkt gekünstelt. Ihr erzählender Tonfall klingt verführerisch und verträumt, wird jedoch neckisch und elfenhaft, wenn vom Gaukelspiel der Erdgeister, von Nebelwitwen, Grubenjägern und Windkerlen die Rede geht. Selbst die gelegentlichen Gesangseinlagen meistert Eva Mattes mit Bravour. So erfährt man noch einmal auf schönste Weise, dass Undine nur durch die Liebe zu einem Menschen eine unsterbliche Seele erlangen kann. Wie es den Ritter Huldbrand aus der Ehe mit Undine fort zu einem menschlichen Weibe treibt, und wie seine Untreue nach dem Gesetz der Elementargeister schließlich mit dem Tode bestraft wird.

Darf Fouqués Text als eine Erneuerung der Stauffenberger-Sage gelten, auf die der Dichter durch Paracelsus aufmerksam wurde, so hat die romantische Märchennovelle ihrerseits eine lang anhaltende Stofftradition begründet. Schon zu Lebzeiten Fouqués fand die "Undine" allseits begeisterte Aufnahme und so schrieb der Dichter selbst das Libretto für E. T. A. Hoffmanns Oper. Die Adaptionen von Hans Christian Andersen, Heinrich Heine, Sir Walter Scott, Jean Giraudoux und Ingeborg Bachmann (um nur einige zu nennen) wären ohne Fouqué nicht denkbar. Und wie Arno Schmidt in seiner großen Fouqué-Biografie schreibt, las Richard Wagner seiner Familie am letzten Abend seines Lebens noch einmal das Kunstmärchen vom reizenden Naturkind Undine vor. Das unschätzbare Verdienst dieses reizvollen Hörbuchs liegt zweifellos darin, Neugier auf einen so wichtigen Stoff der Weltliteratur zu fördern.

Titelbild

Friedrich de LaMotte- Fouqué: Undine. 3 CDs. Gelesen und mit Gesang von Eva Mattes. Musik von Michael Brandt.
Hörbuch Hamburg Verlag, Hamburg 2002.
197 Minuten, 20,00 EUR.
ISBN-10: 389903046X

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