Tumulte in Berlin - Mordprozess und Theatersensation

"Der Frauenmörder" von Hugo Bettauer als Hörbuch

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Serienkiller scheint umzugehen im Berlin der frühen 20er Jahre. Trude Müller, Grete Möller, Annemarie Jensen und Käthe Pfeiffer, allesamt heiratswillig, Anfang 20 und mit ein wenig Vermögen ausgestattet, sind innerhalb weniger Tage verschwunden. Außerdem waren sie "wie die Spreu im Winde", hatten weder Verwandte noch Familie. Alle hatten sich in Pensionen eingemietet, alle sprachen von Verlobung oder gar Vermählung und einem Grundstück im westlich von Berlin gelegenen Havelstädtchen Ketzin, das ihr Bräutigam zu kaufen beabsichtige. Dieser sei, so die Vermieterinnen der jungen Frauen, blond, hager, Anfang 30 und trage einen Kneifer.

Das ist die Ausgangssituation, mit der sich die Berliner Polizei, namentlich in Person des Detektivs Krause, konfrontiert sieht. Ein schneller Erfolg muss her, die Bevölkerung, vor allem ihr weiblicher Teil ist verunsichert, und "die Zeitungen taten das Ihrige, um den Fall auszuschlachten, überboten einander in schreienden Überschriften, machten je nachdem aus dem blonden Mann einen Blaubart, einen Aufschlitzer, einen perversen Wüstling."

Krause, ein Mann mit außerordentlichen Fähigkeiten, die er sich während dreier Gefängnisjahre angeeignet hat - zu Unrecht abgesessen aufgrund eines Justizirrtums - findet schnell heraus, dass es keine Leichen gibt, dass der Gesuchte seine Opfer via Zeitungsannonce gefunden hat und spielt das gefährliche Spiel mit, indem er seinem Gegner eine Falle stellt.

Doch der Fall entwickelt sich in eine ganz andere Richtung, der vermeintliche Mörder ist möglicherweise ein genialer Schriftsteller und Dramatiker namens Hartwig, dessen Verlobte über viel Phantasie, Kreativität und Verwandlungskunst zu verfügen scheint. Die Recherchen führen in Verlags- und Theaterhäuser. Schließlich machen sich der Gerichtsprozess gegen Thomas Hartwig und die Uraufführung des Dramas "Drei Menschen" von Thomas Hartwig, die beide unmittelbar nacheinander stattfinden, die größte denkbare Konkurrenz im gesellschaftlichen Leben Berlins.

Hugo Bettauer, 1872 bis 1925, verfasste neben Kriminalromanen den utopischen Roman "Die Stadt ohne Juden" und war außerdem als Journalist tätig. 1899 ging er nach New York und wurde amerikanischer Staatsbürger. Nach einem Aufenthalt in Deutschland, während dem er in Berlin und Hamburg arbeitete, wechselte er erneut nach New York, wo er bei der "Deutschen Zeitung" unter anderem Fortsetzungsromane für Einwanderer schrieb. Ab 1910 war er in Wien. Dort gründete er die Zeitschrift "ER UND SIE. Wochenschrift für Lebenskunst und Erotik", die bereits nach fünf Ausgaben als sittengefährdend beschlagnahmt wurde. 1925 wurde er von einem fanatischen Nationalsozialisten erschossen.

Ulrich Tukur liest die ungekürzte Fassung des Romans "Der Frauenmörder" von Hugo Bettauer. Das gelingt ihm über weite Strecken recht gut, auch wenn seine Stimme passagenweise ein wenig zu hart, schneidig oder gar zackig klingt. Etwas mehr Betonungsvielfalt würde der Lesung gut tun. Hätte man sich entschlossen, das Material zu kürzen und eine Hörspielfassung erarbeitet, wäre man der Zeit Bettauers und der Atmosphäre seines Romans sicher näher gekommen und hätte ihn somit lebendiger umsetzen können. Die Spannung und die vielen Wendungen dieses rasanten und auf Effekte ausgerichteten Unterhaltungsromans erhalten das Hörinteresse jedoch aufrecht.

Titelbild

Hugo Bettauer: Der Frauenmörder. 3 CDs. Gelesen von Ulrich Tukur.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
ca. 170 Minuten, 25,90 EUR.
ISBN-10: 3933686881

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