Wenn du das Kopftuch nicht anziehst!

Hiltrud Schröters Untersuchung der Lebensbedingungen moslemischer Frauen in Deutschland

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein ebenso gut lesbares wie informatives Buch zur Situation islamischer Frauen in Deutschland hat Hiltrud Schröter vorgelegt. Auf nachdrückliche Weise gelingt es ihr aufzuzeigen, wie sich unter dem "Deckmantel von Kultur und Religion" bei uns "neue Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen" entwickeln. Aus einem Fundus von 250 "unstrukturierten biographischen Interviews", die sie und ihre Studentinnen mit Muslima führten, hat sie 24 exemplarische Fälle ausgewählt, die typische Lebensläufe und Probleme der aus Afghanistan, Pakistan, Iran, Marokko, Tunesien und Türkei stammenden Frauen deutlich machen. Repräsentativ dürften die Interviews dennoch nicht sein. Denn gerade zu den am stärksten von radikalen Islamisten unterdrückten und in ihren Kontakten zur Außenwelt am stärksten eingeschränkten Frauen, dürften die Interviewerinnen schwerlich Zugang gefunden haben. Auch erweckt die Auswahl der Interviews beinahe den sicher nicht zutreffenden Eindruck, fast alle in Deutschland lebenden muslimischen Frauen der jüngeren Generation seien gebildete Studentinnen oder Gymnasiastinnen. Es ist also davon auszugehen, dass die dunkelsten Seiten islamischer Frauenunterdrückung in Deutschland auch von diesem Buch nicht beleuchtet werden können. Dennoch bleibt erschreckend genug, was hier nachzulesen ist.

Wie sehr selbst die 'emanzipiertesten' der Frauen unter dem Druck islamischer Wertvorstellungen und Verhaltensnormen zu leiden haben, wird etwa daran deutlich, dass auch sie - Studentinnen, Pädagoginnen und Rechtsanwältinnen, also längst volljährigen Frauen - keinerlei Möglichkeit sehen, das Elternhaus zu verlassen, ohne verheiratet zu sein und so von der 'Obhut' der Brüder und des Vaters in die des Ehemannes zu gelangen. Wobei ihnen, die allenfalls ein Mitspracherecht bei der elterlichen Auswahl des Gatten erhalten, nur gestattet ist, einen Moslem zu ehelichen. Die Ehen werden oft mit Männern arrangiert, die noch in den Herkunftsländern leben. Für die Frauen ist eine solche Ehe dann "meist ein Horror", wie zahlreiche der Interviews belegen. Für die Männer ist der Heiratsvertrag hingegen das "langersehnte Immigrationsticket für Deutschland".

Dass eine Muslima nicht heiraten kann, "wen sie will und wie sie will", steht natürlich sowohl im Widerspruch zu den Menschenrechten als auch zur deutschen Verfassung, die die Freiheitsrechte des Individuums schützt und die Gleichberechtigung der Frau fordert. Der Islam, konstatiert die Autorin zurecht, "unterwandert Schritt für Schritt - anders gesagt Heirat für Heirat - diese Reche und breitet auch auf diese Weise seinen Machtbereich aus". Denn falls Moslems Frauen anderer Religionszugehörigkeit heiraten, was ihnen gestattet ist, sind die aus der Verbindung hervorgehenden Kinder nach islamischem Recht Moslems; unabhängig vom Glaubensbekenntnis der Mütter. Die muslimische Glaubensgemeinschaft zu verlassen ist nicht bzw. nur unter Androhung der Todesstrafe möglich.

Besonders groß ist der Druck auf Frauen, die in Städten leben, in denen sich islamistische Gemeinden etabliert haben. Zwar gelingt es einem Teil der jüngeren Frauen, den "Spielregeln vieler muslimischer Töchter" zu folgen: "Sie tun, was sie für richtig halten, und wahren den Schein der Konformität". Anderen jedoch ist die Angst zum "Habitusprinzip" geworden. Eine "strukturelle Angst", die ebenso sehr eine Angst vor den Eltern und vor islamischen Männern ist, als auch eine Angst vor Allah und vor den im Koran auf das grausamste geschilderten Höllenqualen, die sie bei Verfehlungen gegen die Religionsvorschriften nach dem Tode erwarten. Eine Angst, die ihr Denken blockiert und ihr gesamtes Handeln bestimmt. Denn die "Mechanismen der Denunziation" sind in den muslimischen Gemeinden allgegenwärtig. Auch berichteten interviewte Frauen wiederholt, dass sie von Landsleuten mit Vergewaltigung bedroht wurden, falls sie sich weigern ein Kopftuch überzuziehen: "Wenn du das Kopftuch nicht anziehst, ficken wir dich." Eine Drohung, die so verbreitet ist, dass auch etliche der moslemischen Studentinnen aus Schröters Seminaren von dieser Erfahrung berichteten. Viele iranische, marokkanische und türkische Moslemlinnen sprechen darum in der Öffentlichkeit nicht mehr die Sprache ihrer Eltern, um von ihren 'Landsleuten' nicht als Muslima erkannt zu werden.

Nur eine Minderheit der Frauen, so zeigen die Interviews, beginnt, "sich mehr oder weniger freiwillig an den Vorschriften von islamischen Moscheegemeinden und Vereinen" zu orientieren. Sie gehören zumeist der älteren Generation an und kompensieren so mangelnde Anerkennung, die sie in Deutschland während der vergangenen Jahrzehnte auf Grund fehlender Sprachkenntnisse und Bildungsdefiziten erfahren haben. Bei den meisten der Frauen, insbesondere der jüngeren Generation, ist jedoch ein "Prozess der Säkularisierung im Sinne einer Abwendung von religiösen Autoritäten und Institutionen" zu beobachten. Frauen aus moslemischen Ländern, resümiert Schröter, "wissen die Freiheit und Gleichberechtigung in den demokratischen Staaten des Westens zu schätzen und wollen nicht zurück in vormoderne Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts, auch nicht in kulturellen Inseln inmitten unserer Gesellschaft". Hindernisse werden ihnen auf ihrem emanzipatorischen Weg nicht von der deutschen Gesellschaft in den Weg gelegt, sondern von einem Teil der moslemischen Männer. So streicht die Autorin wiederholt heraus, dass der Bildungswillen und -hunger der Frauen, zwar von deutscher Seite gefördert, von Seiten islamischer Männer jedoch behindert wird, insbesondere dort, wo es starke Moscheegmeinden gibt, deren Imame jeglichen Emanzipations- und Integrationsprozess von Frauen nach Kräften unterbinden.

So wichtig die Einblicke auch sind, die das Buch in die Unterdrückung und fremdverschuldete Unmündigkeit moslemischer Frauen in Deutschland gewährt, so sind doch einige kritische Anmerkungen unerlässlich: Bei einzelnen Auswertungen der Interviews scheint das verständliche Wohlwollen, das Schröter den befragten Frauen entgegenbringt, gelegentlich zu allzu positiven Interpretationen geführt zu haben. Das betrifft nicht nur die Frauen, deren Kraft und Emanzipationswillen schon mal stärker betont wird, als es die Zitate aus den Interviews tatsächlich belegen können, sondern im Einzelfall auch deren familiäres Umfeld. So erzählte eine der Frauen über ihren Vater: "Früher hat er gar nicht gebetet. Und damals hat er auch ab und zu Alkohol getrunken, aber das macht er jetzt absolut nicht mehr, er hält das für ein Tabu. Und jetzt schon seit ... ich denke fünf, sechs Jahren ist er schon sehr regelmäßig in seinen Gebeten, ... betet fünf mal am Tag. Er geht nicht in die Moschee, aber betet halt zu Hause." Schröter interpretiert das nun dahingehend, dass sich der Vater "auf dem Weg zu einer persönlichen Gestaltung seiner Religion" befinde, da er "nicht mehr in die Moschee" gehe. Sie übersieht dabei die offenkundige Tatsache, dass er nicht etwa beginnt, sich von der vorgeschriebenen rigiden Befolgung islamischer Vorschriften zu lösen, sondern sich ihnen im Gegenteil nähert, indem er etwa keinen Alkohol mehr trinkt und die täglich vorgeschriebenen fünf Gebete verrichtet. Zudem wird die eindeutige Auskunft, im Unterschied zu früher bete er nun, wenn auch nicht in der Moschee, dahingehend uminterpretiert, er gehe nun nicht mehr in die Moschee. Auch unterlaufen Schröter gelegentlich bedenkliche Bewertungen und Metaphern. So spricht sie etwa von den "seit Generationen selbstverständlichen und bewährten Erziehungsvorstellungen" der islamischen Eliten in Pakistan; deren Anhänger allerdings selbst dann noch keinen Gedanken daran Verschwenden, ihren Töchtern auch nur ein Minimum an Selbstbestimmung zuzugestehen, wenn diese längst volljährig sind. Oder sie spricht vom "goldenen Käfig", in dem die Töchter sitzen, die das Elternhaus nicht verlassen dürfen, solange sie nicht verheiratet sind.

Titelbild

Hiltrud Schröter: Mohammeds deutsche Töchter.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2002.
296 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3897411032

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch