Kurt Wallander heißt jetzt Stefan Lindman

Henning Mankells neuer Kriminalroman "Die Rückkehr des Tanzlehrers"

Von Christian SchneiderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Schneider

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Name des Mörders steht auf Seite einhunderteinundfünfzig. Ein etwas früher Zeitpunkt für einen fünfhundertseitigen Krimi, möchte man meinen. Aber keine Angst. Henning Mankell wäre nicht einer der ganz großen Autoren, wenn die indiskrete Preisgabe dieser Information der Spannung des Buches Abbruch täte.

Die Romane um den zur Schwermütigkeit neigenden Kommissar Wallander haben Mankell auch hierzulande berühmt gemacht. Umso dringlicher stellt sich der Wallander-Fangemeinde die Frage, wie sich der neue Kommissar bewähren wird. Stefan Lindman ist mit seinen siebenunddreißig Jahren um einiges jünger als Wallander. Aber keineswegs vitaler. Durch die Diagnose Zungenkrebs aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht, verstrickt er sich in die Aufklärung der grausamen Ermordung eines ehemaligen Kollegen, die ihm gleichzeitig zur Flucht in die dünn besiedelte Wildnis Norrlands gerät. Doch die Reise führt nicht nur von Südschweden in den wilden Norden, Lindman reist auch von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück.

Es ist das finsterste Kapitel der deutsch-schwedischen Geschichte, in das der Kommissar bei seinen Ermittlungen vorstößt. Der Schlüssel zur Lösung des Falls ist in der Zeit des Nationalsozialismus zu suchen. Je tiefer Lindmann und seine mit dem Fall betrauten norrländischen Kollegen graben, umso mehr "Kellerasseln" scheuchen sie auf - die alten Nazis, die ihre kranken Ideen und Ideale über die Zeit gerettet haben, aber auch eine junge Generation, die nicht weniger kompromisslos menschenverachtenden Idealen huldigt und weitaus gefährlicher als die ewiggestrigen Alten ist.

Stefan Lindman wird nicht nur aus der Beobachterperspektive mit den Schrecken des Todes und den Abgründen der menschlichen Seele konfrontiert. Das Entsetzen macht auch vor seinem eigenem Leben nicht halt. Es ist die Angst vor dem Tod, die Konfrontation mit der Vergangenheit, aber auch der Kampf um die eigene Zurechnungsfähigkeit und das Vertrauen in seine Mitmenschen, die ihn umtreiben. Henning Mankel beschreibt die Charaktere der Mörder und der Ermordeten, der Jäger und der Gejagten, der Blender und der Wahrheitssucher. Vor dem Hintergrund der in die Einsamkeit führenden nordschwedischen Wildnis entfaltet er eine spannungsgeladene Atmosphäre, die bis zum Schluss fesselt. Nach fünfhundert Seiten stellt man fest, dass man Kurt Wallander nicht vermisst. Und sich schon den nächsten Lindman wünscht.

Titelbild

Henning Mankell: Die Rückkehr des Tanzlehrers. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002.
505 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3552052054

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