Jungfernproben und andere medizinische Sachverhalte

Christa Baufeld gibt Texte zu "Gesundheits- und Haushaltslehren des Mittelalters" heraus

Von Ines HeiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ines Heiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Texte der mittelalterlichen Artes haben in der Mediävistik lange Zeit eine Art Schattendasein geführt. Als Quellen für die politische Geschichte wenig geeignet blieben sie für die Historiker uninteressant; die Literaturwissenschaftler zogen es zunächst vor, sich auf die Beschäftigung mit der "schönen" Literatur zu beschränken und die im Vergleich dazu profan wirkenden Sachtexte außen vor zu lassen. Erst mit dem Aufkommen der Erforschung der Alltagsgeschichte, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte wurden die entsprechenden Texte ein wenig mehr ins Zentrum des Wissenschaftsinteresses gerückt. Innerhalb des Lehrbetriebes sind sie jedoch weiterhin eine marginale Erscheinung, und vielleicht auch vor allem deshalb, weil entsprechende Editionen fehlen, die Texte somit also häufig nur über die Handschriften zugänglich sind.

Christa Baufelds Edition des 8° Ms 875 der Universitätsbibliothek Greifswald -einer Sammelhandschrift, die neben zwei Kräuterbüchern, Monats- und Jahreszeitenregeln und einem Steingedicht auch ein Weinbuch und ein Minnetraktat sowie verschiedenste medizinische Rezepte und Hinweise enthält - stellt einen gelungenen Versuch dar, eine Handschrift mit Artesliteratur einem breiteren wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen. Das ausführliche Vorwort enthält neben einer Beschreibung der Handschrift und einer Analyse der Schreibsprache auch eine Einführung in den medizinisch-naturwissenschaftlichen Kontext, innerhalb dessen der Kodex zu sehen ist, sowie eine Übersicht über die im einzelnen enthaltenen Texte und ein umfangreiches Verzeichnis relevanter Literatur.

Es folgt die Edition der Handschrift, deren Benutzerfreundlichkeit an dieser Stelle besonders hervorzuheben ist: Jede Seite enthält eine Zeilennumerierung des Handschriftentextes, Marginalien, d. h. Randeinträge von zweiter Hand sind in einer Spalte am linken Rand vermerkt, Fußnoten geben weiteren Aufschluss über Schriftbild und Layout. Es ist also sichergestellt, dass sich der moderne Benutzer in der Handschrift zurechtfinden kann, ohne dass dies auf Kosten der Authentizität und Vollständigkeit der Textsammlung geschehen müsste. Zusätzlich vermitteln am Ende des Buches eingelegte schwarz-weiße Abbildungen einiger Textseiten in Originalgröße dem Benutzer der Edition einen recht naturgetreuen Eindruck der Handschrift.

Als weitere Arbeitshilfe findet sich am Ende des Buches ein Glossar, welches medizinische, biologische und alchemistische Fachtermini erläutert und so die Lektüre des Bandes auch ohne Hinzuziehung einschlägiger Lexika ermöglicht.

Insgesamt kann man dieses Editionsprojekt als voll und ganz gelungen bezeichnen: Die Ausgabe ist für wissenschaftliches Arbeiten geeignet, da sie alle relevanten kodikologischen und paläographischen Angaben enthält; sie kann aber aufgrund der ausführlichen Zusatzinformationen auch genutzt werden, um Studenten an den Wissenschaftsbereich der Artesliteratur heranzuführen. Es ist zu wünschen, dass aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Artes weitere ähnliche Editionen hervorgehen, da diese nicht nur für die Medizin- und Alltagsgeschichte von einiger Bedeutung sind, sondern sich auch dazu eignen, konkrete Einblicke bezüglich der Vorstellungswelt und des Wissenshorizontes der mittelalterlichen Menschen zu gewinnen.

Titelbild

Christa Baufeld (Hg.): Gesundheits- und Haushaltslehren des Mittelalters.
Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
216 Seiten, 45,50 EUR.
ISBN-10: 3631372531

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