Denn Du trägst meinen Namen

Norbert und Stephan Lebert über das schwere Erbe der Nazi-Kinder

Von Heribert HovenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heribert Hoven

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nein, manchmal möchte man das Buch einfach in die (rechte) Ecke feuern, aus Abscheu und weil sich das Weiterlesen einfach nicht mehr lohnt. Was interessiert mich das "schwere Erbe der prominenten Nazi-Kinder"? Sollen Sie doch endlich den Mund halten und verstummen in ihrem Selbstmitleid und ihrer Larmoyanz. Und dann fühlt man sich doch wieder angezogen von diesem Blick ins Gruselkabinett oder, wenn man so will, in den Abgrund der menschlichen Seele. Dabei thematisieren die beiden Autoren durchaus selbst das Unbehagen an ihrer Arbeit. Zwiespältig ist allerdings die gesamte Struktur des Buches. Denn zuerst enthält es ungekürzt die Reportagen, die Norbert Lebert 1960 im Auftrag der Zeitschrift "Weltbild" über die Kinder der höchsten Nazis, Göring, Himmler, Heß, Bormann und Frank, geschrieben hat.

40 Jahre später und nach dem Tod des Vaters hat sich dann Stephan Lebert, Jahrgang 1961 und gleichfalls ein renommierter Journalist, auf die Spur des Vaters gemacht und dieselben Personen aufgesucht, die bereits sein Vater interviewte. Um es kurz zu machen: Die einen der inzwischen gealterten Nazikinder sind im braunen Sumpf versunken, weil sie sich nicht vom Vater zu lösen vermochten. Ihr verschrobenes Weltbild, ihre falsch verstandene Solidarität mit dem Erzeuger, ihre idealisierte Kinderwelt haben vor der Gegenwart keinen Bestand mehr und brauchen daher nicht näher dargelegt zu werden. Die anderen, Bormann und Frank, sind an ihrer Herkunft mehr oder weniger zerbrochen. Sie verdienen unser Mitleid. Ihre Zeugenschaft ist es wert, erinnert zu werden in einer schnelllebigen Zeit. Denn plötzlich kann man im München des Jahres 2000 wieder eine Stadtrundfahrt machen durch die "Stadt der Bewegung", wie Stephan Lebert sie vorschlägt: "Im netten Lehel, mitten in der City, wohnt Frau Göring, nicht weit weg von ihr Herr von Schirach. Im tiefen Westen, in einem Vorort, lebt Herr Heß. Und im Vorort Neuried befindet sich Frau Burwitz, geborene Himmler." Dort leben sie noch heute, bis sie denn gestorben sind.

Von einigem Interesse ist außerdem noch das Vater-Kind-Problem, das sich in den beiden Autoren widerspiegelt. In den Beiträgen des Vaters dominiert der Originalton der Interviewten, in denen des Sohnes mehr die moralische Wertung. Insgesamt herrscht eine gewisse und durchaus nervige Redundanz vor, weshalb es an Stelle eines über 200 Seiten langen Buches wohl auch eine längere Reportage getan hätte.

Titelbild

Norbert Lebert / Stefan Lebert: Denn Du trägst meinen Namen. Das schwere Erbe der prominenten Nazi-Kinder.
Blessing Verlag, München 2000.
222 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3896671057

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