Ermittlerin wider Willen

Robert Bracks neuer Krimi "Lenina kämpft"

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Peter Rabe, Privatdetektiv mit Büro in Hamburg, wird eines Nachts am Athabaskakai aus dem Wasser des Hamburger Hafens geborgen. Tot. Die Polizei lässt die Nachricht von Rabes Unfall dessen Tochter Lenina durch die diensthabenden Zollinspektoren überbringen. Sie erfährt keine Hintergründe, von einem Fall ist keine Rede, da es ja, wie gesagt, ein Unfall war. An einen solchen glaubt die 20-jährige allerdings nicht, zu viele Gründe sprechen dagegen. Der einfachste und zugleich gewichtigste: Ihr Vater konnte schwimmen. Und außerdem: Was wollte er nächtens am Hafen?

Lenina fängt an, im Büro ihres Vaters nach Hinweisen zu suchen, womit er sich beschäftigt hat, wer seine Auftraggeber waren usw. Doch kaum dort angekommen, stellt sich auch schon unangenehmer Besuch ein, dem sich Lenina forsch und mutig entgegenstellt. Dieser Zwischenfall bestärkt sie immer mehr in der Vermutung, dass ihr Vater hinter einer wichtigen Sache her war, für die er viel riskiert und derentwegen er alles verloren hat. Lenina, die so gar nichts mit dem gängigen Bild eines Großstadtgirls gemein hat, viel lieber Mahler und Schönberg hört und auf die angebotenen bunten Pillchen ihrer Freundinnen problemlos verzichten kann, fühlt sich verpflichtet, die Arbeit ihres Vaters fortzusetzen (wobei ihr im Verlauf des Buches u. a. dessen Revolver und sein alter Peugeot hilfreiche Dienste leisten).

Ihre Hartnäckigkeit trägt erste Früchte. Sie macht ein paar Angler ausfindig, die ihren Vater in besagter Unglücksnacht aus dem Wasser gezogen haben und die ihr zumindest sagen können, dass da noch jemand war, ein maskierter Typ, dunkel gekleidet, groß. Dann findet sie im Büro auch noch eine CD-ROM, die sie aber erstmal nicht zum Laufen bekommt. Helfen könnte ihr dabei eventuell Philipp, der sich mächtig in der Anti-Globalisierungsbewegung engagiert. Die Beiden schleichen ein bisschen undefinierbar umeinander herum, doch dummerweise hat er eine Freundin. Und Informationen für Lenina, die ihr gar nicht gefallen.

Die Geschichte beginnt, Konturen zu bekommen, Peter Rabe hat möglicherweise bedeutende Verflechtungen von Politik und Wirtschaft aufgespürt, die zudem auch noch mit dem Hamburger Milieu verbunden sein könnten. Doch vorerst sind es viele lose Enden, in denen sich Lenina schnell verheddern kann. Als sie jedoch den Zollinspektor trifft, der ihr die traurige Nachricht vom Tod ihres Vaters überbrachte, hellen sich viele trübe Stellen auf und das ganze Ausmaß von Korruption und Betrug blendet hässlich und grell. Bis zur Klärung des Falles muss Lenina noch einige Kämpfe bestehen und überstehen und gegen Ende wird es für sie und Philipp verdammt knapp.

Robert Brack, "Marlowe"- und Krimipreisträger, Erfinder des großartigen "Gangsterbüros" und erfolgreich mit den Virginia Doyle-Romanen, hat wieder einmal einen klasse Krimi vorgelegt. Dabei ist diese Geschichte schon fast eine Reportage oder eine Fernsehkrimi-Vorlage (auch, weil die präzisen Dialoge gut umsetzbar wären), so nah ist sie an unserer Wirklichkeit dran, sowohl politisch, als auch sprachlich. Und mit Lenina hat Brack eine ganz neue Figur geschaffen, eine Ermittlerin wider Willen, die sich mit jugendlichem Ungestüm und dickköpfiger Zähigkeit durchsetzt. Man möchte mehr von ihr erfahren, möchte wissen, ob sie das Erbe des Vaters antreten und unbestechlich und idealistisch neue Fälle lösen wird.

Titelbild

Robert Brack: Lenina kämpft. Krimi.
Edition Nautilus, Hamburg 2003.
192 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3894014083

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