Zahlen an Namen neben Bildern auf Begriffen mit Graphiken

Der "Prestel Atlas Bildende Kunst"

Von Thomas HermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Hermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Manchmal hat man ja so Gedanken. Welche Bücher würde ich mir aussuchen, wenn ich mir zehn für immer, von vorne bis hinten, mit allem drum und dran, einfach so merken könnte? Erhöht es den Lerneffekt, wenn ich mir das zu memorierende Buch unters Kopfkissen lege? Käme eine Fee und flüsterte: "Höre, von nun an, wenn du ein Buch isst, dann sei dir geschenkt alles zu erinnern, auf ewig, was sich in diesem Buch befindet", dann sollte man sich schleunigst eine bekömmliche Zubereitungsart ausdenken. Leicht muss es sein.

Einem Kunstgeschichtsgourmet, einem an der Kunstgeschichte Interessierten, einem Studenten der Kunstgeschichte im Grundstudium sei der "Prestel Atlas Bildende Kunst" empfohlen, denn hierin ist das Beste gerade gut genug. Die 300 hoch komprimierten Seiten sind ein netter Appetitanreger und gleichzeitig eine solide Grundlage. Von der Altsteinzeit bis zur Gegenwart finden sich die herausragendsten Werke. Das Hauptaugenmerk liegt bei den Bildkünsten, doch auch die Architektur wird teilweise zum besseren Epochenverständnis in die Übersicht miteinbezogen. 45 Karten zeigen, wer welchen Einfluss wo auf wen hatte, 57 Graphiken verdeutlichen, wann was kunsthistorisch parallel zu welchem geschichtlichen Ereignis stattfand. 112 Definitionen erläutern das Wichtigste der wichtigsten Begriffe und als Sättigungsbeilage dienen 580 Abbildungen. Abgeschmeckt wurde der Band mit den Essenzen der Biographien von 798 Künstlerinnen und Künstlern. Das soll leicht sein?

Wie schon erwähnt, hier wurde Kunstgeschichte verdichtet, und hier mussten zwangsläufig Kompromisse gemacht werden. So wie man zu allem ein bisschen etwas findet, so ist auch der Atlas von allem ein bisschen: größtenteils Atlas, ein wenig Lexikon, ein Mini-Bildband. Das "Mini" bezieht sich jedoch nicht auf die Menge der Abbildungen, sondern auf die Ausmaße der einzelnen Abbildungen. Die Delikatessen der Bildkünste finden sich im Atlas, das kann man behaupten, aber wenn man etwas gefunden hat, dann muss man Detailliertes suchen. Bei soviel Information bleibt für das einzelne Werk nicht mehr viel Platz, und das eingedampfte Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle wird auf einer Fläche von satten 52 Quadratzentimetern zum augenpeitschenden Farbfleck. Zu den derartig verkleinerten Großformaten stellt sich ein wenig die Frage, inwieweit die Strategie des "so viel wie möglich" Sinn macht, doch die Motivation der Verfasser lässt bei "von allem das unbedingt Wissenswerte" für das Einzelne nicht mehr zu. Natürlich eignen sich dann diese "Miniaturen" nicht für erschöpfende Bildanalysen, aber sie erhöhen den Effekt des unbedingt nützlichen Wiedererkennens, falls der Zielgruppe später eine etwas großzügiger ausgefallene Reproduktion eines Gemäldes - oder im besten Falle das Original selbst - vor die Augen kommen sollte. Gerne quält man die eigene Optik bei den Kunstwerken, doch zum Betrachten der Karten und Graphiken muss man sich zwingen. Ihr Informationswert ist unbestritten wertvoll, aber Gestaltung und Farbigkeit kann man als massiv misslungen bezeichnen. In einem Atlas der bildenden Kunst hätte man sich ein wenig von der Kunst inspirieren lassen können, denn der Kontrast der erläuternden Bildwerke dazu ist nicht interessant, er stößt vielmehr übel auf, weil das Auge isst mit. Das ist leicht daneben.

15 Autoren haben mit dem "Prestel Atlas Bildende Kunst" einen Band zusammengestellt, der kunsthistorisches Basiswissens vermittelt. Die vielen Köche verdarben hier nicht den Brei, sie destillierten vielmehr das Hochprozentige aus ihren Fachgebieten zu einem Wissensstandard, der von "Absolutismus" bis "Zisterzienser" reicht, von Hans von Aachen bis Francisco de Zurbaran. Weniger ist hier zwar nicht mehr, aber ein nützlicher Anfang. Ma(h)lzeit!

Titelbild

Stefanie Penck (Hg.): Prestel Atlas Bildende Kunst.
Prestel Verlag, München 2002.
312 Seiten, 34,95 EUR.
ISBN-10: 3791326368

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