Henry Palmer ist kein Profi

Ralph Gerstenbergs erster Berlin-Krimi neu aufgelegt

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Berlinromane haben Konjunktur, und das schon seit Jahren. Einer, der richtig eingeschlagen hat, war "Herr Lehmann" von Sven Regener, Sänger und Texter der Band "Element of Crime". Wenige Jahre zuvor hat Ralph Gerstenberg, Ost-Berliner, Jahrgang 1964, einen Berlin-Krimi geschrieben, der nun noch einmal aufgelegt wurde. Hintergrund ist wohl, dass seine zwei Folgebücher beim Grafit-Verlag erschienen sind, wo man das ganze Œuvre dieses vielversprechenden Autors hegen und betreuen möchte.

"Grimm und Lachmund" heißt dieses schnelle und gradlinige Buch, das noch zu D-Mark-Zeiten spielt und ein wenig mehr Atmosphäre des Übergangs in Berlin beinhaltet als Bücher, die in diesen Tagen erscheinen.

Henry Palmer heißt die Hauptfigur, ist Anfang 30 und Sozialhilfeempfänger, seine Freundin ist Mitarbeiterin einer Werbeagentur. Doch da gibt es auch noch Hannah, geborene Lachmund, verheiratete Grimm, mit der Henry nach langer Zeit wieder einmal ausgeht. Früher müssen sie, ein gewisser Theo und er ein Trio Infernale gewesen sein.

Nach besagtem Abend mit Hannah wird Henry Zeuge einer tätlichen Auseinandersetzung, in deren Folge auch er eine aufs Maul bekommt, doch immerhin: Er hat sich ritterlich verhalten und die Polin Agnes möglicherweise vor Schlimmerem bewahrt. Um was genau es ging, kann er aufgrund der Sprachbarriere in dieser Nacht nicht mehr in Erfahrung bringen.

Er bietet Agnes sein Sofa an und übernachtet bei seiner Freundin. Doch auch am folgenden Tag erfährt er keine Hintergründe für den nächtlichen Streit, denn Agnes liegt ermordet in seiner Wohnung, und er ist der Hauptverdächtige. Als er untertauchen will, steht auch schon Agnes' Bruder mit gezückter Waffe vor ihm, dessen Gedanken in die gleiche Richtung gehen, wie die der Berliner Polizei. Henry hat Glück, denn der ungestüme Gast lehnt sich gegen das wackelige Bücherregal und wird von Brechts Gesammelten Werken k. o. geschlagen ...

Henry kann in Theos WG unterkriechen und sich so in aller Ruhe als Hobbydetektiv betätigen. Und was er da alles in Erfahrung bekommt, ist erstaunlich. Agnes wurde, wie viele andere Frauen, mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. Es ging um Heirat, um eine neue Zukunft. Tatsächlich aber steckt hinter dem Ganzen ein ehemaliger Frankfurter Kiez-Boss, der nun im wilden Osten mit Pornos und Bordellen die ganz große Nummer werden will. Dass Theo Henry in dieser Situation hilft, Henry ihn aber trotzdem immer weniger versteht und am Ende sogar (fast) verachtet, ist eine gut eingebaute Nebenhandlung, die dem Roman Volumen und 'street credibility' verleiht.

Gegen Ende taucht dann auch Hannah wieder auf, deren Rolle in diesem verwirrenden Geflecht und deren Kenntnis von all diesen Vorgängen entscheidend wird. "Grimm und Lachmund" ist ein äußerst unterhaltsames Buch, schnell und schnoddrig geschrieben, mit viel Humor und viel Berliner Schnauze. Die Handlung ist glaubhaft und plausibel -Leser von Jakob Arjounis Kayankaya-Krimis und - siehe oben - "Herr Lehmann" werden ihre Freude daran haben.

Titelbild

Ralph Gerstenberg: Grimm und Lachmund.
Grafit Verlag, Dortmund 2003.
187 Seiten, 7,90 EUR.
ISBN-10: 3894252766

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